© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/01 26. Januar 2001

 
Die erste Kugel
von Richard Stoltz

Sich selber in entscheidenden Momenten kräftig in den Hintern zu treten, war schon immer ein auffälliges Merkmal der Springerpresse. Den neuesten dieser innerhäuslichen Eselstritte konnte man letztes Wochenende besichtigen. Da veröffentlichte die Welt in großer Aufmachung einen Kommentar ihres Kulturellen Chefkorrespondenten Wolf Biermann zur Joschka-Fischer-Affäre, in dem es hieß: "Ausgerechnet die Zeitung DieWelt sollte sich nicht mit journalistischen Steinen aus dem Springer-Glashaus an der Steinigung Joschka Fischers beteiligen. Immerhin war es vor allem die Hetze in Springers Bildzeitung ... ohne die der junge Nazi Bachmann wohl kaum seine drei Kugeln in den Kopf von Rudi Dutschke geschossen hätte ... Die Kugel Nummer eins kam / Aus Springers Zeitungswald/ Ihr habt dem Mann die Groschen/ Auch noch dafür bezahlt."

Zur Erinnerung: Als der Dutschke-Attentäter im Prozeß von dem Anwalt der Nebenkläger, Horst Mahler, im Verhör pompös gefragt wurde: "Welche Zeitungen haben Sie gelesen?", da antwortete er nicht etwa: "Die Bild-Zeitung", sondern er antwortete: "Den Stern". Zumindest die erste Kugel kam also aus dem Stern. Das hätte man den Welt-Lesern fairerweise erklären müssen. Aber so ist das nun mal im aufregenden Berliner Zeitungsleben: Wenn man schon nicht die erste Kugel aussendet, so will man wenigstens den ersten Tritt dafür bekommen, am besten im eigenen Blatt aus der Feder des eigenen Chefkorrespondenten. Es ist so schön, wenn dann der Schmerz nachläßt.


 
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