© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/01 26. Januar 2001

 
BLICK NACH OSTEN
In Zagreb spuken wieder die Partisanen
Carl Gustaf Ströhm

Die Szene hätte nicht gespenstischer sein können: vor einem großen Bildnis des verstorbenen Diktators Tito trat Kroatiens Präsident Stipe Mesic dieser Tage in Zagreb auf einer Versammlung alter kommunistischer Partisanen auf – und ehrte in Anwesenheit des Zagreber Bürgermeisters und der Botschafter Rußlands, der Ukraine und Jugoslawiens jene 350 noch lebenden Kämpfer, die 1945 an der "Befreiung" Kroatiens und an der Installierung der KP-Diktatur entscheidend mitgewirkt hatten.

Das "Zagreber Korps" habe maßgeblichen Anteil an der jugoslawischen Tito-Verfassung des Jahres 1974 gehabt, und das sei die Vorstufe zum heutigen selbständigen Kroatien gewesen. Mesic verschwieg die anderen "Verdienste" der Alt-Partisanen: die Etablierung einer Schreckensherrschaft im Jahre 1945, die Massenerschießungen von echten und angeblichen politischen Gegnern oder "Klassenfeinden". Er verschwieg auch, daß die Tito-Partisanen – mochten sie nun Kroaten oder Serben gewesen sein – damals nicht für Demokratie und "europäische Werte", sondern für die stalinistische Diktatur kämpften. Unter den Ehrengästen sah man ältere Genossen, die sich noch in die siebziger Jahren an Gewaltmaßnahmen gegen "kroatische Nationalisten" beteiligten und bis zuletzt dem Titoismus treu blieben.

Mit dieser kommunistischen Gespensterschau versuchte Mesic die "euro-kroatische Integration" in Richtung EU zu propagieren – ein groteskes Mißverständnis. Natürlich könnte man über eine solche Gespensterbeschwörung achselzuckend hinweggehen – zumal in Zagreb bereits das Gerücht kursiert, dem kroatischen Präsidenten könne ein Amtsenthebungsverfahren bevorstehen, weil er Geheimdokumente seines von ihm gehaßten Vorgängers Franjo Tudjman an Journalisten zu verteilen pflege.

Die Zukunft eines europäischen Kroatiens auf dem Erbe der Tito-Partisanen und des titoistischen Selbstverwaltungs-Sozialismus aufbauen zu wollen, stellt im besten Fall ein gigantisches (und kostenspieliges) Mißverständnis dar. Im schlimmsten Fall kann es die Kroaten in eine neue Katastrophe führen. Während sich die soziale Situation im Lande unter der neuen Linksregierung dramatisch verschärft hat (statt der versprochenen 200.000 Arbeitsplätze gibt es heute 50.000 Arbeitslose mehr als vor einem Jahr), polarisiert sich auch die politische Situation. Am Todestag des ersten Präsidenten Franjo Tudjman versammelten sich an seinem Grab auf dem Zagreber Friedhof Mirogoj hunderttausend Menschen und sangen gemeinsam: "Franjo, stehe aus deinem Grabe auf, Kroatien ruft dich!"

Die regimetreuen Medien und das "gleichgeschaltete" Fernsehen sprachen von zweitausend (!) statt von hunderttausend Trauergästen. Die vor einem Jahr installierte kroatische Linksregierung, an deren Spitze der ehemalige KP-Chef Ivica Racan steht, hat im Zuge der "Ent-Tudjmanisierung" fast alle nicht-linken Personen aus Ämtern und dem öffentlichen Leben entfernt. Heute suchen junge, qualifizierte Leute, die in der Diplomatie und den Ministerien gearbeitet haben, händeringend einen Job – man hat sie ohne Federlesens auf die Straße geworfen. Auch die "Freiheit der Medien", die angeblich unter Tudjman so bedroht war, interessierte heute niemanden mehr – etwa die Tatsache, daß die Oppositionsparteien nur mit neun Prozent in den Fernsehsendungen vertreten sind, während den gewendeten Neokommunisten, die jetzt an der Macht sind, 91 Prozent der Sendezeit zur Verfügung stehen. Kroatien steuert in unruhige Zeiten – mit einem Präsidenten, der in erster Linie gegen seine eigenen Landsleute auftritt.


 
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