© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    06/01 02. Februar 2001

 
Die preußische Dimension
von Karlheinz Weissmann

Ohne Karten kann man nicht Krieg führen!" Dieser Satz Friedrichs des Großen wirkt wie eine Platitüde, war aber revolutionär, als er 1756, zu Beginn des Siebenjährigen Krieges, formuliert wurde. Bis zum Ersten Weltkrieg scheute man sich in vielen Armeen Europas, Offiziere, zumal nachgeordneter Truppenteile, mit Karten auszurüsten. Die Arbeiten der Landesaufnahme galten als streng geheim, und nur der militärischen Spitze sollten ihre Ergebnisse zur Verfügung stehen. In Preußen kannte man diese Vorbehalte nicht, was nicht allein mit dem Weitblick des roi-connétable erklärt werden kann, sondern auch mit einer Besonderheit der preußischen Existenz zusammenhängt: sie war in hohem, jedenfalls in höherem Maß als die anderer Staaten, von der Geographie bestimmt.

Über die "preußische Dimension" zu sprechen, heißt also zuerst, die Lage Preußens im Raum zu behandeln. Diese Lage war im Laufe der Zeit Veränderungen unterworfen, trotzdem kann man Konstanten ausmachen. Die wichtigste ist die Mittellage Preußens, das in Ost-West-Richtung "eingekreist" war durch die Großmächte Frankreich und Rußland, in Nord-Süd-Richtung von Schweden und Österreich. Ohne natürlichen Reichtum und ohne "natürliche" Grenzen, für lange Zeit ohne durchgehende Verbindung zwischen den einzelnen Provinzen, spätestens seit dem Beginn des 17. Jahrhunderts ebenso potentieller Verbündeter wie potentielles Opfer der europäischen Großmächte, war die Existenz Preußens immer eine prekäre.

"Die zentrale oder Mittellage ist in der Stärke ebenso gewaltig wie in der Schwäche bedroht, fordert zum Angriff und zum Widerstand heraus ... Für viele Vorteile nimmt die zentrale Lage immer den Nachteil der Gefährdung in den Kauf." Diese Feststellung des "Vaters" der Geopolitik, Friedrich Ratzel, will für den preußischen Fall nur bedingt einleuchten. Über die längste Zeit seiner Geschichte ist nicht zu erkennen, worin die "gewaltige Stärke" oder allgemeiner die "Vorteile" der Lage Preußens hätten bestehen sollen. Seine Kerngebiete, Brandenburg und (Ost-)Preußen, lagen in der Entstehungszeit des preußischen Staates räumlich getrennt voneinander, ihre Geschichte entwickelte sich unabhängig auf verschiedenen Wegen. Brandenburg, das zu Beginn des 12. Jahrhunderts als Mark gegen die Slawen gegründet worden war, erlebte eine kurze Blüte unter den Askaniern und sank dann in Vergessenheit. Als die "Streusandbüchse" des Heiligen Römischen Reiches 1415 an die Hohenzollern kam – ein landfremdes Geschlecht, aus dem Schwäbischen stammend –, konnte sich niemand vorstellen, daß daraus einmal die Basis für den deutschen Kernstaat und eine europäische Großmacht werden sollte. Mehr als zweihundert Jahre lang mußten sich die neuen Herren nicht nur gegen äußere Feinde, sondern mehr noch gegen den renitenten Adel behaupten, bis es dem Großen Kurfürsten gelang, die Anfänge brandenburgisch-preußischer Staatlichkeit zu etablieren.

Die Kurmark bildete damals eines jener Länder mittlerer Größe, die die durch den Westfälischen Frieden gewährte Souveränität der Reichsstände dazu nutzten, politisches Gewicht zu erlangen. Friedrich Wilhelm war vor allem darauf aus, den Gebietsstand Brandenburgs zu erweitern. Man hat seine Bemühungen mit der Arbeit des "Sisyphos" (Sebastian Haffner) verglichen, so vergeblich waren alle Versuche, über das hinaus zu gelangen, was bereits 1648 durch den Erwerb Hinterpommerns erreicht war. Der Mittelpunkt Brandenburgs lag im 17. Jahrhundert im Berliner Raum, an Havel und Spree. Das Kerngebiet erstreckte sich zwischen der ans Niedersächsische grenzenden Altmark und der Neumark, die im Osten bis zu Warthe und Netze reichte. Allerdings waren schon unter dem Vorgänger des Großen Kurfürsten Kleve, Mark und Ravensberg im Westen Deutschlands an die Hohenzollern gegangen. Im Vergleich zu den übrigen Territorien handelte es sich um wohlhabende Regionen.

Es war der Gewinn Hinterpommerns deshalb von besonderer Bedeutung, weil Brandenburg nun auch als Ostseeanrainer auftrat und die Möglichkeit einer Anbindung des bis dahin abgetrennten preußischen Herzogtums denkbar schien. Zu diesem Zeitpunkt erinnerte kaum noch etwas an den alten Ordensstaat. Daß zu Beginn des 13. Jahrhunderts der Slawenfürst Konrad von Masowien die Deutschherren ins Land geholt hatte, um die Pruzzen zu bekämpfen und zu missionieren, daß es dem Orden in der Folge gelang, zuerst den Raum zwischen Weichsel und Memel zu unterwerfen, dann aber auch das Baltikum bis hinauf zur Narwa und zum Peipussee zu erobern, war weniger von Belang als die Folgen des Niedergangs, nachdem der Ordensstaat im Konflikt mit den Königen von Polen unterlegen war. 1525 trat schließlich der letzte Hochmeister, Albrecht von Hohenzollern-Ansbach, auf die Seite der Reformation über und entschloß sich, das im wesentlichen auf Ostpreußen beschränkte Restgebiet des Ordenslandes in ein weltliches Herzogtum umzuwandeln. 1618 fiel Preußen nach dem Tod des letzten Herrschers aus dieser Linie an die Kurfürsten von Brandenburg, die es als Lehen der polnischen Krone nahmen.

1660 konnte die Vasallität endgültig abgestreift werden, aber es bestand das erwähnte Problem fort, daß die beiden Teile des von den Hohenzollern regierten Staates geographisch getrennt waren. Erst 1772 gelang Friedrich dem Großen das corriger la figure de la prusse, indem er die Lücke durch den Erwerb Westpreußens vollständig schloß. Die Herstellung des territorialen Zusammenhangs bedeutete aber keineswegs die Vereinheitlichung des "preußischen Volkes", das durch die Expansion der vorangegangenen hundertdreißig Jahre immer bunter geworden war, das im täglichen Verkehr zum größten Teil Deutsch, zu einem kleineren Polnisch oder Litauisch sprach, während die hugenottische Minderheit das Französische weiter benutzte. Die meisten Untertanen waren evangelisch, aber anders als die calvinistische Dynastie Anhänger des Luthertums; nach dem Erwerb Schlesiens gehörte auch ein sehr großes, geschlossen katholisches Gebiet in den Bestand des preußischen Staates.

Hatte Brandenburg-Preußen am Ende des 17. Jahrhunderts eine gewisse Rolle unter den mitteldeutschen Ländern spielen können, so schien es am Ende des 18. Jahrhunderts fast, als würden die Eroberung Schlesiens und die Gewinne aus den polnischen Teilungen, an denen Preußen beteiligt war, zu einer vollständigen Verlagerung nach Osten führen. Deshalb hätte die weitere Entwicklung durchaus in eine ähnliche Richtung weisen können, wie sie das Habsburger Reich eingeschlagen hatte, nämlich die, "aus Deutschland heraus" zu wachsen.

Aber nach der Niederlage gegen Napoleon von 1806 und dem Friedensschluß von Tilsit 1807 wurde das preußische Gebiet auf einen ostelbischen Rest beschränkt und zwischen Satelliten des französischen Imperiums eingekeilt, so daß jede Expansionsmöglichkeit abgeschnitten war. Der Versuch, auf dem Wiener Kongreß die Entwicklung nach Osten wieder aufzunehmen, scheiterte. Gerade auf Drängen Metternichs, der ganz bewußt die habsburgischen Besitzungen an der stets gefährdeten Grenzlinie zu Frankreich aufgab, erhielt Preußen jetzt Territorien, die mit dem bis dahin schon vorhandenen westdeutschen Streubesitz das Gewicht des Staates wieder und dieses Mal ein gutes Stück nach Westen verschoben.

Die Angliederung von Rheinland und Westfalen und das damit verbundene "Hineinwachsen" nach Deutschland hat die weitere Richtung preußischer Politik nachhaltig geändert und auch dahin geführt, daß Preußen in die Lage versetzt wurde, seinen "deutschen Beruf" zu ergreifen. Die Gründung des kleindeutschen Reiches bedeutete aber auch unvermeidlich die Übertragung der "preußischen Dimension" ihrem ersten, also geographischen Sinn nach auf den neuen Staat.

Im 18. Jahrhundert war der Name "Brandenburg" aus der Liste der europäischen Staaten verschwunden und an seine Stelle derjenige Preußens getreten, wiewohl die Umbenennung irreführend war, denn faktisch hatte sich ja Brandenburg Preußen einverleibt und nicht umgekehrt. Die Hauptstadt des Staates wurde Berlin und nicht Königsberg. Berlins ursprünglich exzentrische Lage verschob sich im günstigen Sinn durch die Erweiterung des Staatsgebietes, als deren Endpunkt man die Reichseinigung betrachten kann, in der einige skeptische Zeitgenossen die Gründung eines "Groß-Preußen" vermuteten.

Dem entsprach die Wendung gegen die damals verbreitete Auffassung, derzufolge sich die preußische Geschichte mit einer gewissen Notwendigkeit in der deutschen vollenden mußte. Das hieß tatsächlich das gespannte Verhältnis zwischen preußischer Nation und deutscher Nation unzulässig glätten. Einer der Hauptbeteiligten bei der Schaffung des preußisch-deutschen Staates, Wilhelm I., meinte 1871 bedenklich, Preußen werde verschwinden und etwas ganz Neues, das Deutsche Reich, an seine Stelle treten: "Die Dinge sind einmal so geworden. Meine Vorfahren haben erst eine Nation machen müssen, denn wir Preußen sind keine geborene, sondern eine gemachte Nation. Nun aber macht eine Nation mich."

Wir kommen damit zu einem zweiten Aspekt unseres Themas, der preußischen als einer politischen Dimension im genaueren Sinn des Wortes. Hier zeigt sich schon auf den ersten Blick das von Wilhelm I. Gemeinte, daß die "preußische Nation" als eine "gemachte", als eine "Staatsnation" in der exakten Bedeutung, mehr, aber auch weniger als die deutsche Nation war. Mehr insofern, als sie Nationalitäten wie etwa die polnische umfaßte, die der preußischen Krone durchaus loyal gegenüberstanden, aber keine Germanisierung akzeptierten. Weniger insofern, als gerade die bedeutendsten Hohenzollern ihrem "Haus-Interesse" einen höheren Stellenwert einräumten als den deutschen. Der Große Kurfürst wechselte die Bündnisse, ohne danach zu fragen, welche Folgen das für das Reich haben mußte. In dem übel beleumdeten "Soldatenkönig", Friedrich Wilhelm I., steckte immerhin ein Rest des älteren Reichspatriotismus. Allerdings fühlte er sich von den Habsburgern nicht so respektiert, wie er es für angemessen hielt. Sein Sohn Friedrich der Große scheute dann keine Gelegenheit, deren Stellung zu schwächen.

Allerdings zeigte sich hier auch zum ersten Mal eine eigentümliche Verknüpfung der preußischen und der deutschen Sache. In der Reichsarmee, die gegen Preußen aufgeboten wurde, sympathisierten viele, vor allem viele Protestanten mit dem Feind. Von den 3.200 württembergischen Soldaten blieben ganze 400 bei ihren Fahnen, teilweise gingen die Kompanien unter Führung der Hauptleute geschlossen auf die preußische Seite über. Der Sieg Friedrichs bei Roßbach wurde in weiten Teilen Deutschlands vor allem als Sieg über das mit Habsburg verbündete Frankreich und durchaus als ein nationaler Sieg verstanden.

Goethe hat in seinen Lebenserinnerungen geschrieben, daß die Frankfurter Jugend "fritzisch gesinnt" gewesen sei. Doch Friedrichs Politik war nie auf Deutschland, zuletzt immer nur auf die "preußische Nation" ausgerichtet. Der preußische Staat bildete zwar ursprünglich nur eine durch Zwang und Dynastie zusammengehaltene Einheit, aber allmählich wuchs die Verbundenheit zwischen Herrscherhaus, Untertanen und "Vaterland". Wenn Wilhelm I. in dem oben zitierten Text ausdrücklich hervorhob, daß die "preußische Nation" eine "gemachte" gewesen sei, so hieß das vor allem, daß ihr das Gewachsene, das Natürliche fehlte, das gerade in Deutschland sonst die Verbindung von Volk und Nation bestimmte. Es blieb unübersehbar, daß es sich bei Preußen um kein "Stammesgebiet" handelte, daß ihm als Ganzes – natürlich nicht den einzelnen Provinzen – spezifische Sitten und Bräuche fehlten, daß das territoriale Fundament des Gebietes Kolonialland war, dessen ursprüngliche Bevölkerung nur in einem allmählichen Prozeß mit den Neusiedlern verschmolz.

Die Widerstände gegen die Entstehung der "preußischen Nation" waren hartnäckig, und alle Impulse zu ihrer Überwindung kamen "von oben". Erst in der Regierungszeit Friedrichs bildete sich das spezifisch Preußische vollständig aus: sinnfällig in der Erweiterung des Beamtenbegriffs bis auf den König selbst, den "ersten Domestiken des Staates", in der Entfaltung des Korpsgeists der Armee, in den Anfängen des Rechts- und Sozialstaates. Noch das unter Friedrichs Ägide geschaffene, aber erst 1794 veröffentlichte Allgemeine Landrecht galt für die "preußischen Staaten", aber Preußen wurde schon als Einheit betrachtet. Nach dem Tod des Monarchen sagte der Minister Hertzberg in einer Rede auf den Verstorbenen: "Der Preuße wird fortan seinen eigenen Namen führen und bei dem Klange dieses Namens aufflammen wie einst der Mazedonier oder Römer."

Das Pathos des Preußischen hatte tatsächlich antike Züge. Die weitgehende Verschmelzung von Staat und Heer erinnerte vor allem an Sparta. Aber in einem unterschied sich die neue Polis von den alten Vorbildern: Sie besaß keine abgeschlossene Bürgerschaft. Es soll hier nicht Bezug genommen werden auf die häufig erwähnten Immigranten, die aus Not oder auf der Flucht vor religiöser Verfolgung nach Preußen kamen, sondern auf jene große Zahl außergewöhnlicher Männer, die nicht durch Geburt, sondern durch Wahl Preußen wurden, angefangen bei Derfflinger über Danckelmann, Lessing, Stein, Scharnhorst, Hegel und Moltke. Sie alle wurden angezogen von dem "Klange dieses Namens". Was diesen "Klang" ausmachte, kann man mit gutem Recht als dritten Aspekt der "preußischen Dimension" behandeln.

Im Französischen war lange das travailler pour le roi de Prusse sprichwörtlich, wenn man eine Diensteinstellung charakterisieren wollte, die von etwaiger Belohnung absah und die Sache um ihrer selbst willen tat. Die Wurzeln für diesen Aspekt der "preußischen Dimension" lagen in Pietismus und Kategorischem Imperativ, und es hat für dieses Ethos in der preußischen Geschichte eine lange Reihe eindrucksvoller Beispiele gegeben.

Aber nicht der "Kadavergehorsam" war die Erfüllung preußischer Haltung, die zeigte sich angemessener in der Nacht von Kunersdorf, als die Soldaten an ihrem Platz ausharrten und sich um ihre Unteroffiziere sammelten, obwohl ihre Führer gefallen waren und ihr König überzeugt, die Gepreßten müßten den eigenen Feldwebel mehr fürchten als den Feind. Der "Geist der Ordnung und der Zucht" manifestierte sich auch in der langen – und in dieser Form wohl einmaligen – Geschichte des preußischen Ungehorsams, beginnend bei dem Junker von der Marwitz, der Friedrich den Befehl verweigerte und den Zorn seines Herren wählte, "weil Gehorsam nicht Ehre brachte", über die Insubordination der "preußischen Jakobiner" wie Schill, Stein, Scharnhorst und Gneisenau und Yorcks Konvention von Tauroggen, bis hin zu Männern wie Henning von Tresckow, die im Untergang noch einmal den "preußischen Traum" beschworen.

Die preußische als geistige Dimension kann viel von dem unwahrscheinlichen historischen Erfolg dieses Staates erklären. Preußen war eines der wenigen Beispiele für eine "organische Konstruktion" (Ernst Jünger) im Bereich des Politischen: die Schöpfung eines Gemeinwesens, das – obwohl nach den Prinzipien der Rationalität entworfen, eigentlich ausgedacht – außerordentliche Vitalität und emotionale Bindungskraft entfaltete und sich mit einem Mythos verband, der seine Kraft bis heute nicht ganz verloren hat, obwohl der Staat verschwunden, die alte Führungsschicht entmachtet, die historischen Landschaften Preußens zu einem großen Teil verloren sind.

Auf welches Datum man den Untergang Preußens festsetzen kann, ist ebenso umstritten, wie die Frage, wann Preußen gegründet wurde. Es kommt dafür zuerst der Beschluß des Alliierten Kontrollrat von 1947 in Frage, der den Staat Preußen als "Träger des Militarismus und der Reaktion" auflöste. Wilhelm I. glaubte wie erwähnt, daß man schon 1871 sein altes Preußen "zu Grabe" getragen habe. Dagegen spricht die Wahrnehmung, wie viel von Preußen in dem neuen Gefüge überlebte. Im Kern getroffen wurde Preußen, als die Verfassung der Militärmonarchie fiel. Walter Rathenau schrieb 1919 über den Untergang Preußens: "Preußen, das gehaßte, einst vergötterte, wird zerschlagen ... Vergessen ist das Maß organisatorischer Kraft, das Preußen dem Reich zugeführt hat, vergessen die außerdeutsche Willensstärke und Willensklarheit, die Fähigkeit des Erledigens und Fertigmachens, die unerhörte Wirtschaftskraft und selbstverzehrende Sachlichkeit. Vergleicht das Heilige Römische Reich und das Deutsche Reich: Was bleibt? Preußen. Vergleicht Österreich und Deutschland: Was bleibt? Preußen. Zieht Preußen von Deutschland ab: Was bleibt? Der Rheinbund. Ein verlängertes Österreich. ... Ein politischer Kollektivismus, eine nationale Gemeinschaft – die mit bloßer Heimatliebe, Stammesgemeinschaft und örtlicher Interessiertheit nicht verwechselt werden darf – ist in Deutschland nirgends und niemals erwachsen als in Preußen und durch Preußen."

Preußen ist nicht mehr. Schon in der Weimarer Zeit war es nur mehr ein Schatten seiner selbst. Trotz aller Propaganda wird man dasselbe für das NS-Regime sagen müssen. Weder die Bonner noch die Berliner Republik wollten sein Erbe antreten. Die Mittellage des heutigen Deutschland zeigt gewisse Übereinstimmungen mit der preußischen, aber die Unterschiede sind erheblich. Den Zusammenhang von äußerem Druck und innerer Ordnung muß man erst wieder unter Verweis auf die Geschichte verständlich machen. Aber es bleibt ein Rest von Aktualität in Rathenaus Betrachtung. Eben die Feststellung, daß die deutsche Neigung ins Formlose und Gemütliche, der Mangel an geprägter Form in neuerer Zeit nur durch das Preußische, das auch ein "Außerdeutsches" war, behoben werden konnte. Was es im letzten bedeutet, daß uns auch diese preußische Dimension abhanden kommt, steht offen.

 

Dr. Karlheinz Weißmann ist Historiker und Studienrat in Göttingen. Sein Text ist die gekürzte Fassung eines Vortrags, den er bei einer Veranstaltung des Instituts für Staatspolitik gehalten hat. Die vollständige Fassung dieses Textes ist in einer Broschüre zusammen mit drei weiteren Aufsätzen zum Preußen-Jahr gegen eine Schutzgebühr von 10 Mark (zzgl. Porto) zu beziehen über das Institut für Staatspolitik, Alte Frankfurter Straße 54, 61118 Bad Vilbel (Tel. und Fax 06101 / 50 11 20). Zu demselben Preis kann dort ein mehrfarbiges Plakat mit dem als Illustration dieses Textes abgedruckten Motiv angefordert werden.


 
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