© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/01 09. Februar 2001

 
Kai Diekmann
Schlecht im Bild
von Christian Vollradt

Vordergründig sieht es so aus wie früher: Die 68er kämpfen gegen das mächtigste Medium der Republik; hie Fortschritt – hie Reaktion. Doch statt mit Sitzblockaden und Brandsätzen wird ein neues "Springerpresse halt die Fresse!" nun regierungsamtlich betrieben, denn die Machtverhältnisse haben sich in den letzten dreißig Jahren eben grundlegend geändert. Der traurige Zustand hierzulande läßt sich auch daran ablesen, daß der Wechsel an der Spitze der Bild zu Beginn dieses Jahres tatsächlich als konservativer roll-back beargwöhnt wurde, weil Kai Diekmann ein bekennender Kohl-Anhänger ist. So schien dem braven Bürgertum ein Rechtsruck im Hause Springer offensichtlich. Und das, obwohl sein ihn protegierender Intimus, Springer-Vorstand Mathias Döpfner, zuvor als Chefredakteur dieWelt weichspülte.

Ohne Zweifel hat Diekmann mit seinen zarten 36 Lenzen eine beachtliche Karriere hinter sich. Von der Schülerzeitung ging es nach Abitur und Bundeswehr 1985 direkt ins Volontariat bei Springer. Bei verschiedenen Blättern des Hauses machte er Station, 1991 wurde er stellvertretender Chefredakteur der B.Z., nach Posten bei Bild gelang ihm 1998 der Sprung auf den Chefsessel der Welt am Sonntag. Ausgerechnet jetzt auf dem vorläufigen Höhepunkt seines Schaffens passierte dem jungen Aufsteiger ein peinliches Mißgeschick: Diekmann mußte sich bei Jürgen Trittin wegen eines mit falscher Legende versehenen Fotos entschuldigen; hämisch feixend raschelte der übrige Blätterwald von Alt-Links bis Neu-Mitte, von taz bis FAZ : "Bild lügt!"

Nach eigenen Aussagen haßt Diekmann schlechte Fotos, die bei ihm cholerische Reaktionen hervorrufen. Ach, hättest du geschwiegen, Kai! Zwei Semester an Göttingens Georgia-Augusta hätten ausgereicht, um in Sachen linker Demo-Kultur zu wissen, daß der "Lauti", also der mit Lautsprechern versehene VW-Bus, von den Demonstranten geschoben wird (wegen der Abgase) und ein Seil die schwache Flanke gegen die "Greif-
trupps der Bullen" schützen soll. Daß Trittin mit Gewalttätern gemeinsam demonstrierte, daß dabei Polizisten verletzt und Scheiben "entglast" wurden, daß Trittin die rechtsstaatliche Verfolgung der Autonomen als "Kriminalisierung" verunglimpfte, gerät durch den Fauxpas der Bild unverdient in den Hintergrund. Viele haben sich schon im Oktober vorigen Jahres beim Eintreffen der Nachricht, der smarte Wahl-Hamburger aus Bielefeld werde den Chefsessel bei Bild und Bild am Sonntag übernehmen, gefragt: Bringt er wirklich die nötige Glaubwürdigkeit mit für das Zentralorgan der Welt zwischen Thermoskanne und Henkelmann? Von Diekmann wird eine Steigerung der in den letzten zwei Jahren um fünf Prozent geschrumpften Auflage von 4,5 Millionen Exemplaren erwartet. Die Erfahrung, daß gefälschte Bildunterschriften Schüsse nach hinten sind, hatte ihm ein anderer, in Tabak machender Hamburger bereits voraus.


 
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