© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/01 09. Februar 2001

 
Zu wenig und viel zu spät
Großbritannien: Kurswechsel in der Labour-Innenpolitik / Polizei im Sperrfeuer der "Gutmenschen"
Derek Turner

Anfang Dezember letzten Jahres verlas die Queen im Parlament Tony Blairs Regierungserklärung. Darin fand sich eine Reihe von Maßnahmen zur Inneren Sicherheit, die Innenminister Jack Straw als den "größten Angriff gegen Verbrechen und Unordnung seit 20 Jahren" bezeichnete. Vier der angestrebten 15 Gesetze sind der "yob-Kultur" gewidmet. Das umgangssprachliche "yob" entstammt einer Verdrehung des Wortes "boy" und bezeichnet "hooligans", also Schlägertypen, die häufig in betrunkenem Zustand Gewaltverbrechen begehen. Aber in der speziellen Labour-Variante des Begriffs klingt noch ein anderes Vergehen an: "yobs" seien oftmals "ausländerfeindlich", erklärte ein Kabinettsmitglied seine besondere Abneigung. Erst die Xenophobie der Schläger treibt Labour zum harten Durchgreifen.

Der Hauptvorschlag der Regierung ist das "Criminal Justice and Police"-Gesetz. Damit soll die Altersgrenze für mögliche nächtliche Ausgehverbote von derzeit zehn auf 16 Jahre angehoben werden. Außerdem soll die Polizei weitere Kompetenzen erhalten zur Kontrolle von Brennpunkten der Kriminalität, etwa Treffs von "Hooligans". Lokale, in denen es wiederholt zu Gesetzesbrüchen oder Ausschreitungen kommt, sollen geschlossen werden, und den örtlichen Behörden soll es gestattet werden, für bestimmte Plätze Alkoholverbote zu verhängen. Polizeibeamte sollen das Recht bekommen, festgelegte Strafgelder zu verhängen, und "kerb-crawlers" (Freier) und "hit-and-run drivers" (Fahrerflüchtige) sollen nach dem Willen Labours an Ort und Stelle verhaftet werden können. Eine weitere Gesetzesinitiative will den Sozialbetrug bekämpfen, darüber hinaus soll es möglich werden, die Gewinne aus illegalen Drogengeschäften zu konfiszieren.

Die meisten dieser Vorschläge sind auch innerhalb der Tory-Opposition unumstritten, obwohl diese der Regierung ein zu spätes und zu lasches Vorgehen vorwirft. Nur zwei Gesetze werden heiß bekämpft: die Abschaffung der Schwurgerichte und das Verbot der Fuchsjagd. Im britischen Oberhaus, dem House of Lords, werden sie vermutlich erneut scheitern. Dagegen kritisiert Michael Gove, einflußreicher Redakteur der Londoner Times, das Gesetzespaket als Einstieg in den Polizeistaat: "Wo sind die Liberalen, wenn man sie einmal braucht?" Die Regierung schaffe die Freiheit ab, trample auf den Rechten der Bürger herum und dringe brutal in deren Privatsphäre ein. Gove malt das Bild einer diktatorischen Regierung, die unbescholtene Bürger daran hindert, ins Ausland zu reisen, wenn sie als "yobs" verdächtigt werden, etwa wegen einer Tätowierung, die sie als Fußballfans ausweist.

Insgesamt erweckt das "Criminal Justice and Police Bill" den Eindruck, daß Labour die ausufernde Kriminalität eindämmen will. So wurde ein 10jähriger nigerianischer Junge, Damilola Taylor, von anderen schwarzen Schulkindern derart verprügelt, daß er auf offener Straße verblutete. Diese Verrohung schon der Jüngsten hat vielleicht auch bei Labour zu einem Umdenken geführt, allerdings klingen die neuen Töne etwas unglaubwürdig aus dem Munde einer Partei, die über Jahrzehnte auch schwerste Kriminalität zu entschuldigen wußte mit dem Verweis auf "Armut", "soziale Benachteiligung" und "Rassismus".

Nach dem Amtsantritt 1997 gab Blairs Regierung den verhängnisvollen Macpherson-Bericht in Auftrag, der im Februar 1999 fertiggestellt war. Die Arbeitsgruppe von Macpherson kam zu dem Ergebnis, die Londoner Polizei pflege einen "institutionalisierten Rassismus". Immer wieder kommen diese Vorwürfe aufs Tapet, obwohl die Polizei bereits rigorosen Political Correctnes-Therapien unterzogen wurde. Lord Falconer, ein älterer Labour-Politiker und für das finanzielle Desaster des Millenium-Doms verantwortlich, griff die Polizei erst jüngst heftig an: "Unsere Gesellschaft und besonders die Polizei sind durch und durch rassistisch." Um solchem Sperrfeuer zu entgehen, verzichtete die Polizei fortan auf konsequente Kontrollen junger Schwarzer, welche in London die meisten Straßenraubüberfälle begehen. Das Ergebnis ist, daß deren Zahl überproportional gestiegen ist, in Lambeth, dem meistbetroffenen Stadtteil Londons, sogar um 59 Prozent innerhalb eines Jahres.

Der Schmusekurs mit den Schwarzen ist fatal: Obwohl nur zwei Prozent der Bevölkerung von schwarzer Hautfarbe sind, weisen die Zahlen der Kriminalstatistik ihren Anteil an den Wohnungseinbrüchen mit 7,1 Prozent aus, 7,5 Prozent der Diebstähle und 8,1 Prozent der Vergewaltigungen gehen auf ihr Konto, ebenso wie 13,2 Prozent der Betrugs- und Fälschungsdelikte. Bei illegalen Drogengeschäften waren in 19 Prozent der aufgeklärten Fälle Schwarze involviert, bei Raubüberfällen sogar 22,6 Prozent. Trotz dieser vernichtenden Bilanz warf der Macpherson-Bericht der Polizei "Rassismus" vor, weil sie Schwarze kontrollierte. Die Stimmung unter den Beamten ist auf dem Nullpunkt, und innerhalb der letzten sechs Monate habe fast fünf Prozent den Dienst quittiert.

Am 14. Dezember brach Oppositionsführer William Hague das lange Schweigen der Konservativen. Auf einer Tagung des Tory-nahen "Center for Policy Studies" sagte der 39jährige: "Viele Polizeibeamte, besonders die in den Großstädten, fühlen sich belagert. Sie werden beschimpft, bedroht, bespuckt und verflucht, und der Bericht hat es sich angewöhnt, jeden Beamten und jede Dienststelle als rassistisch zu brandmarken. Das hat direkt zum moralischen Kollaps unserer Polizei beigetragen und zu den Schwierigkeiten, Nachwuchs zu rekrutieren. Und es hat zu einer Krise auf den Straßen geführt." Die liberale Elite habe den Rechten der Täter stets mehr Achtung geschenkt als den Rechten der Opfer, betonte Hague. Im Hinblick auf die von der Regierung angeregten Ausgangssperren für Jugendliche meinte der seit 1997 amtierende Tory-Chef: "Blair sieht nicht, daß wir schon heute eine Ausgangssperre haben, die Frauen daran hindert, die Straße nach Einbruch der Dunkelheit zu betreten, eine Sperre, die Tausende von Familien und Rentnern in besonders kriminellen Gegenden in ihren Wohnungen gefangenhält. Das britische Volk ist unter Hausarrest der Labour Partei, welche den Kampf gegen das Verbrechen verliert."

Hagues Rede zog einen Aufschrei der liberalen Presse nach sich. Die Guardian-Kolumnistin Polly Toynbee meinte, Hagues Rede habe gezeigt, daß er ein "gefühlsmäßiger Rassist" sei, und mit ihm seien viele Konservative "ganz rechte Früchtchen", welche eine übertriebene Angst vor dem Verbrechen schürten. Der Guardian veröffentlichte dazu eine Karikatur, die Hague als rasierten Skinhead mit einer Baseballkappe zeigte, auf dessen Hemd in dicken Buchstaben "No liberals" stand. Und die britische Linke nennt den Oppositionsführer, der eine Frisur wie Friedrich Merz trägt, häufig "Skinhead Hague".

 

Derek Turner ist Herausgeber der britischen Zeitschrift Right Now.


 
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