© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/01 16. Februar 2001

 
Nach dem Rücktritt ist vor dem Rücktritt
Berlin: CDU-Fraktionschef muß wegen einer Immobilien- und Spendenaffäre seinen Posten als Bankchef räumen
Thorsten Thaler

Ausgerechnet Landowsky. Ausgerechnet eine Spendenaffäre. Selbst seine zahlreichen politischen Gegner hätten kaum für möglich gehalten, daß sich der mächtige Berliner CDU-Politiker und Bankchef Klaus-Rüdiger Landowsky (58) in eine Immobilien- und Parteispendenaffäre verstrickt, die ihn jetzt seinen Vorstandsposten bei der Immobilienbank Berliner Hyp kostet – und vielleicht bald auch den Fraktionsvorsitz im Abgeordnetenhaus.

Mitte der neunziger Jahre hatte die Berliner Hyp, ein Tochterunternehmen der mehrheitlich dem Land gehörenden Berliner Bankgesellschaft, der Firma Aubis mehrere Kredite von insgesamt 600 Millionen Mark für die Sanierung von Plattenbauten in den neuen Bundesländern eingeräumt. Landowsky ist der für Immobilien zuständige Konzernvorstand der Bankgesellschaft und Vorstandschef der Berliner Hyp. Geschäftsführer der Aubis sind die beiden früheren CDU-Politiker Klaus Wienhold und Christian Neuling, die in den achtziger Jahre wichtige Parteiämter bekleideten und Mandate innehatten. Wienhold gehörte dem Abgeordnetenhaus (1985/89) an und war von 1984 bis 1990 Landesgeschäftsführer der Partei – just in der Zeit, in der Landowsky Generalsekretär war. Christian Neuling war ebenfalls Abgeordneter (1979/87), Mitglied im Landesvorstand (1983/89) und Vorsitzender der Wirtschafts- und Mittelstandsvereinigung (1977/89) sowie von 1987 bis 1994 Bundestagsabgeordneter.

Kurz vor der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im Oktober 1995 hatten Wienhold und Neuling der CDU je 20.000 Mark gespendet – bar auf die Hand von Landowsky. Der Multifunktionär beteuerte zwar, daß es keinen Zusammenhang zwischen den Spenden und der Kreditvergabe gegeben habe, räumte aber ein, daß "die Sache einen Schönheitsfehler (hat)". Teilbeträge der Parteispende gab Landowsky an seinen Heimatkreisverband (10.000 Mark) und seinen Fraktionssprecher Markus Kauffmann (5.000 Mark), die restlichen 25.000 Mark reichte er an den Landesschatzmeister weiter. Daß die Summe dort nicht ordnungsgemäß verbucht wurde, sondern offenbar auf einem schwarzen Konto landete, setzte Landowsky zusätzlich unter Druck. Gewußt haben will er davon freilich nichts.

Jetzt muß die Berliner CDU ihren Rechenschaftsbericht für 1995 korrigieren. Außerdem drohen der Union Strafzahlungen. Die Bundestagsverwaltung kündigte bereits an, mögliche Verstöße gegen das Parteiengesetz zu prüfen.

Nicht nur bei den Oppositionsparteien Grüne und PDS witterte man Morgenluft, auch beim Koalitionspartner SPD sorgte die Affäre für Unruhe. Seit Wochen spielen führende Sozialdemokraten Szenarien durch, wie die SPD aus der ungeliebten Großen Koalition mit der CDU aussteigen kann. Weitaus bedrohlicher aber war für Landowsky, daß hinter vorgehaltener Hand auch in seiner eigenen Partei die Stimmen immer lauter wurden, die ihm den Verzicht auf wenigstens eine seiner beiden Tätigkeiten nahelegten. Nach einem Vier-Augen-Gespräch mit dem Regierenden Bürgermeister und CDU-Landeschef Eberhard Diepgen am Sonntag und einer Krisensitzung der Berliner CDU-Granden am Montagmorgen hatte Landowsky dann offenbar keine Wahl mehr. Nur wenige Stunden später teilte er auf einer Pressekonferenz mit, daß er sein Amt bei der Berliner Hyp aufgeben werde.

Damit droht dem Duz-Freund und engsten Vertrauten Diepgens aber auch ein unrühmliches Ende seiner politischen Karriere. Klaus-Rüdiger Landowsky entstammt dem alten West-Berliner Milieu. Seit mehr als zwei Jahrzehnten bilden Landowsky und seine Seilschaften das Machtzentrum in der Berliner Union. Die Wortführer dieser Gruppe lernten sich größtenteils bereits in den sechziger Jahren beim Jura-Studium an der Freien Universität Berlin kennen. Strategisch planten sie ihren Aufstieg in der Berliner CDU, die damals bei Wahlen auf nicht einmal 30 Prozent kam. 1971 wurde Diepgen Abgeordneter, Landowsky übernahm den Landesvorsitz der Jungen Union, vier Jahre später zog er ebenfalls ins Parlament ein. Von 1980 an führten sie die Fraktion, Diepgen als Vorsitzender, Landowsky als sein Stellvertreter. Als nach dem Weggang Richard von Weiszäckers 1984 Eberhard Diepgen Regierender Bürgermeister wurde, hielt ihm Landowsky zusätzlich als CDU-Generalsekretär in der Partei den Rücken frei. Mit seinen weitverzweigten Verbindungen sorgte der eloquente Machtmensch maßgeblich dafür, daß alle innerparteilichen Putschversuche gegen Diepgen im Sande verliefen. Dabei drängte er sich selbst nie in den Vordergrund. Die Verlockung, Senator zu werden (er hätte sich das Ressort aussuchen können), reizte ihn nicht, und auch der aus der Partei häufig an ihn herangetragenen Aufforderung, Diepgen den Landesvorsitz der Berliner Union streitig zu machen, mochte er nicht nachkommen. Die Rolle als Königsmacher war ihm zu maßgerecht auf den Leib geschneidert, in ihr fühlte er sich aufgehoben. Stets verwies er auf seine persönliche Unabhängigkeit, die ihm der Vorstandsposten bei der Bank sicherte und die er nicht aufs Spiel setzen wollte. Als Landowsky 1991 schließlich Fraktionschef wurde, verzichtete der populistische Instinktpolitiker sogar auf das ihm zustehende Gehalt.

Daß er jetzt über eine anrüchige Finanzäffäre ins Stolpern geraten ist, deutet auf einen zeitweise gravierenden Verlust eben dieses Instinkts hin. Vor genau zehn Jahren von der Zeitschrift Geo special zu einem der 20 führenden Köpfe Berlins gekürt, droht Landowsky nun auch der politische Absturz. In Partei und Fraktion wetzen einige bereits die Messer. Insbesondere jüngere und sehr ehrgeizige Abgeordnete wie der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion, Frank Steffel (34), spekulieren darauf, daß Landowsky nach seiner Demission als Bankchef auch als Fraktionsvorsitzender nicht mehr zu halten ist. Spätesten dann aber wird es auch für den Regierenden Bürgermeister und CDU-Landeschef Diepgen immer enger.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen