© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/01 16. Februar 2001

 
UMWELT
Die saure Rindswurst
Volker Kempf

Die Existenz von Nutztieren begründet sich im Nutzen dieser eigens für den Menschen gezüchteten Tiere. Gäbe es die Menschen nicht mehr, so auch nicht deren Nutztiere. Insofern greift die Forderung von radikalen Tierschützern zu kurz, die Nutztierhaltung abzuschaffen, weil man diese Tiere gleich mit abschaffen würde. Aber warum "würde"? Jetzt, wo die Menschen hierzulande durch die BSE-Erkrankungen das Interesse an Rindfleisch verloren haben, haben heute lebende Rinder tatsächlich kaum noch eine Existenzberechtigung. Entsprechend wird seitens der EU, wie Anfang der Woche den Medien zu entnehmen war, die Tötung von 1,2 Millionen Rindern anberaumt.

Dieser Logik folgend müßten Tierschützer, die bisher vergetarisch lebten, Rindfleisch in Massen essen, um den Rindviehchern wieder ein Leben auf Zeit unter den Menschen zu vergönnen. 300.000 Tonnen Fleisch sollen durch die EU-Aktion anfallen. Um das zu verhindern, müßte jeder der vier Millionen Vegetarier in Deutschland über kurz oder lang 750 Kilogramm davon verspeisen. Da mag manch ein Betroffener eine andere Lösung bevorzugen: "Die Nutztierhaltung ist heute meist ohnehin nicht, was sie einmal war. Um so besser muß es sein, wenn die armen Tiere geschlachtet, das heißt erlöst werden." Aber irgendwie ist das auch zynisch, würde ein aufrichtiger Tierschützer bald bemerken: "Also brauchen wir eine bessere Landwirtschaftspolitik, die den Tieren und damit letztlich auch den Verbrauchern gerecht wird." Diese mittelfristig angesetzte Strategie würde aber kurzfristig den 1,2 Millionen Rindern, die geschlachtet werden sollen, nichts nützen. Also doch in die saure Wurst beißen?


 
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