© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/01 23. Februar 2001

 
Affäre Joseph Fischer
Fragen, die keiner stellt
Dieter Stein

Wöchentlich werden neue Details über die Vergangenheit des amtierenden Bundesaußenministers an die Öffentlichkeit gebracht. Joseph "Joschka" Fischer, der sonst ein Medienliebling ist, verhaspelt sich beim Parieren der Angriffe und hat sich nun den Vorwurf der eidesstattlichen Falschaussage eingehandelt. Bei den Ermittlungen der Frankfurter Staatsanwaltschaft scheint es sich um eine scheinbar belanglose Frage zu handeln, ob eine Ex-Terroristin nun Tür an Tür oder in der gemeinsamen WG von Daniel Cohn-Bendit und Fischer zusammen gewohnt hat.

Wie auch immer, Fischer scheint, ähnlich Helmut Kohl, Vergangenes erst dann einzuräumen, wenn es ihm Schwarz auf Weiß nachgewiesen werden kann. So auch seine Teilnahme als Halbstarker an einer PLO-Konferenz in Algier 1969, auf der eine antiisraelische Resolution verabschiedet worden ist (siehe Seite 5).

Nun gut, es kann sein, daß Fischer, wenn er weiter so ungeschickt operiert, über diese ollen Kamellen stolpert. In der Tat fragt man sich, wie ein solcher Mann den Posten des Außenministers erreichen konnte. Aber stellt man sich diese Frage nicht auch bei anderen Politikern? Der Normalbürger scheint Fischer die Jugendsünden zu verzeihen, kein Politiker soll laut Meinungsumfragen so beliebt sein wie der Frankfurter Ex-Sponti. Die Menschen sympathisieren mit einem, der eine "gebrochene" Biographie hat und der den Aufstieg jenseits der üblichen ausgelatschten Karriereleitern geschafft hat.

Viel interessanter als das Techtelmechtel des Frankfurter Radaubruders, Rädelführers und Möchtegern-Revoluzzers Fischer ist dessen politische Korrumpierung nach seiner schweren Abmagerungskur Ende der achtziger Jahre. Wie ist die Kehrtwende eines amerikakritischen Pazifisten zu erklären, der einst den Protest gegen den Krieg ums Öl am Golf organisierte, 1999 politisch mitverantwortlich war für den ersten deutschen Angriffskrieg nach 1945 auf dem Balkan und gemeinsam mit Schröder und Scharping Auschwitz als Rechtfertigung für den Bruch des Völkerrechts mit dem Schlag gegen Serbien instrumentalisierte.

Die Frage also ist: Warum schweigen die Medien über die Lügen im Kosovo-Krieg, wieso kommt es nicht zu einem Kosovo-Gate, das Fischer neben Scharping und Schröder politisch den Kopf kosten müßte?

Wie sehr Deutschland außenpolitisch ausmanövriert ist, konnte man im Zuge des angloamerikanischen Luftschlages gegen Saddam Hussein am vergangenen Wochenende sehen. Deutschland wird in die Planung solcher Operationen weder einbezogen noch hält man es für nötig, Berlin zu informieren.

Angesichts der anhaltenden Diskussion um die Vergangenheit Fischers stellt sich auch die Frage, wie politisch erpreßbar der Außenminister ist. Andere Teilnehmer der algerischen PLO-Konferenz hatten bis in die 90er Jahre Einreiseverbot in die USA. Warum hatte Fischer keine Probleme? Wissen amerikanische Geheimdienste mehr, als deutsche Medien über Fischer publizieren? Davon ist auszugehen.


 
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