© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/01 23. Februar 2001

 
Die frei erfundenen Fremdenhasser
Kroatien II: Zehn Jahre nach der jugoslawischen Agression sollen die Opfer zu Tätern gemacht werden
Zoran Vukman

Es wird vergessen, daß die Frage der Minderheiten in Kroatien ausschließlich mit dem Aufstand der Serben zusammenhängt, weil diese weder den kroatischen Staat akzeptieren noch kroatische Staatsbürger werden wollten. Es kann keine Rede sein von einem Terror der Mehrheit gegen die Minderheit, sondern umgekehrt: Es gab einen Terror der serbischen Minderheit gegen die kroatische Mehrheit. Darüber aber sagen unsere kroatischen papageienhaften Nachbeter und Neureichen nichts. Um eine Übereinstimmung mit der Rhetorik europäischer und amerikanischer Politiker zu erzielen, haben sie seit Jahren das Bild der Ereignisse so revidiert, als ob es um die Diskriminierung einer Minderheit – der Serben – ginge. Bildlich gesprochen: Man besitzt ein Haus und in ihm leben einige Untermieter. Als Sie als Eigentümer beschließen, das Haus nach eigenen Kriterien in Ordnung zu bringen, wobei keinerlei Absicht bestand, die Untermieter aus dem Haus zu entfernen, sahen Sie plötzlich, daß die Untermieter rebellierten, denn nachdem sie jahrelang in Ihrem Haus gelebt haben, sind die Untermieter der Meinung, daß dies ihr Haus ist und daß Sie nicht der Eigentümer sind. Wenn Sie versuchen, sich mit den Untermietern menschlich zu einigen, reagieren diese wild, paranoisch und irrational. Sie beginnen, Ihre Familie zu terrorisieren, Ihr Eigentum zu zerstören und Sie mit dem Tode zu bedrohen. Der Untermieter gerät völlig außer Rand und Band und läßt Sie nicht mehr in Ihrem eigenen Haus wohnen.

Sie müssen sich verteidigen, denn der Untermieter ist bewaffnet – Sie aber haben keine Waffen. Ihre Nachbarn aber tun so, als ob nichts geschehen sei, sie wollen Ihnen nicht helfen, ja sie betrachten Sie mißtrauisch, als hätten Sie den Untermieter überfallen, nicht aber er Sie.

Sie ertragen den Terror und die Ungerechtigkeit. Die Jahre vergehen. Sie verlieren die Nerven und eines Tages bleibt Ihnen nichts übrig, als Ihr Recht und Ihre Existenz im Konflikt mit dem Untermieter bewaffnet zu verteidigen. Sie werfen ihn aus Ihrem Hause hinaus.

Und jetzt, da Sie das Problem des Gewalttäters und Psychopathen gelöst haben, kommen Ihre Nachbarn und beschuldigen Sie, den Untermieter terrorisiert, seine Menschen- und Mieterrechte verletzt sowie ein Verbrechen gegen ihn begangen zu haben. Jetzt will man Ihnen diesen gleichen Untermieter zurückschicken, in Ihre Wohnung – und in der Nachbarschaft kursieren Meinungen, wonach Sie ein Faschist sind und man Sie wegen Ihrer Verbrechen vor Gericht stellen müsse. Es erscheinen Untersuchungsbeamte und Staatsanwälte und verhören Sie wegen des Untermieters, der Sie terrorisierte. In der Tat, man könnte sich nach all dem fragen, ob dies ein nächtlicher Alptraum ist und ob diese Welt eine Phantasmagorie – oder ob man nicht selber verrückt ist. Diese Geschichte ist aber leider eine Parabel über Kroatien. ... Die Minderheiten leben bei uns normal und teilen die sozialen Probleme der Mehrheit. Ich sehe nicht, daß sich Ausländer bei uns bedroht fühlen. Doch man versucht, die Nation in Kroatien zu neutralisieren. Gleichzeitig aber empört sich niemand über die balkanischen Vorkämpfer des Chauvinismus und die Ultra-Fremdenhasser, die Großserben. Deshalb werden die Patrioten, die ihr Vaterland lieben, in Kroatien wie eine niedrigere Kategorie von Mensch behandelt, die man zum Schweigen bringen und verachten müsse, obwohl sie die Mehrheit des Volkes darstellen.

 

Zoran Vukman ist einer der bekanntesten kroatischen Publizisten der jüngeren Generation. Er schrieb diesen Beitrag – den wir auszugsweise übersetzt haben – für die in der Adriastadt Split erscheinende Tageszeitung "Slobodna Dalmacija" (Freies Dalmatien).


 
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