© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/01 23. Februar 2001

 
UMWELT
Bunjeespringen für Ziegen
Volker Kempf

Wer einmal einen Bunjee- oder Fallschirmsprung von einem 60 Meter hohen Turm gemacht hat, weiß, was für ein Adrenalinstoß man dabei bekommt: einen, der der Todesangst entspringt. In einem spanischen Dorf gibt es einen Brauch, den "Salto de la cabra", bei dem alljährlich eine Ziege zur allgemeinen Volksbelustigung von einem 15 Meter hohen Kirchturm heruntergeschmissen wird. Während ein Fallschirm- oder Bunjeespringer wenigstens weiß, daß eigentlich alles glimpflich ausgehen wird, muß die Ziege mit dem Schlimmsten rechnen. Unten angekommen, fiel die Ziege aber in ein Sprungtuch und überstand den Sturz – zumindest körperlich – unbeschadet.

Auch wenn es letztlich ein glückliches Ende für die Ziege gab, wird wohl kaum jemand leugnen wollen, daß das dem Tier Todesängste eingeflöst hat. Oder wer wäre schon begeistert davon, von einer grölenden Masse Menschen einen Turm heruntergeworfen zu werden, um hinterher überrascht festzustellen, daß man ja in ein Sprungtuch gefallen ist?! Tierschützer liefen denn auch gegen diesen Brauch, der ins Deutsche übersetzt so viel wie "Sprung der Ziege" heißt, Sturm. Doch vergeblich. Denn der mehr als nur zweifelhafte Brauch wurde vor kurzer Zeit heimlich, also ohne eine für Außenstehende ersichtliche Vorankündigung durchgeführt. Der emotionalen Kälte, dem Hohn und Spott dem empfindsamen Tier gegenüber nicht genug, wurde die Ziege auch noch auf "Chillerona", also nach dem Vorsitzenden des vor Ort gegen den Brauch opponierenden Tierschützer Alfons Chilleron benannt, der damit symbolisch gleich mit den Kirchturm hinuntergeworfen wurde. Bleibt mit Nietzsche zu schließen: "Der Mensch hat den gesunden Tierverstand verloren!"


 
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