© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/01 02. März 2001


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Gebühren
Karl Heinzen

Niemand darf es Leo Kirch übel- nehmen, daß sein soziales Gewissen und sein Sinn für Tradition derzeit nicht ausreichen, um den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten bei der Vergabe der Übertragungsrechte für die Fußball-WM noch weiter entgegenzukommen. ARD und ZDF sind schließlich nicht bloß einfach Konkurrenten, denen man im Blick auf das, was die eigenen Sender leisten, die Quote neidet. Sie sind vielmehr der Schwamm, der ausgerechnet jenen Markt trockenlegt, den man mit Premiere World doch selber so gerne abschöpfen würde: Die Öffentlich-Rechtlichen tragen die Verantwortung dafür, daß der Eindruck, bereits genug fürs Fernsehen zu bezahlen, so weit verbreitet ist. Ohnmächtig gegenüber den happigen Gebühren, die zu boykottieren die Furcht vor den Fahndern der GEZ verbietet, kultivieren sehr viele Zuschauer eine Schnorrermentalität, daß sie dann doch gefälligst auf alles weitere einen kostenlosen Zugriff beanspruchen dürften. Auf dieser Basis lassen sich aber nicht einmal im Internet Programminhalte lukrativ anbieten.

Wer Leo Kirchs Verdienste um das deutsche Fernsehen honorieren möchte oder von ihm honoriert wird, schüttelt daher jetzt, wo sein Zukunftsprojekt als nicht mehr ganz so zukunftsträchtig erscheinen könnte, über die Zwangsgebühren den Kopf. Die Öffentlichkeit lernt dabei, daß der Blick auf die Quote allein nicht so wichtig ist. Der anhaltende Zuspruch, den ARD, ZDF und nicht zuletzt die sogenannten Dritten Programmen beim Publikum finden, sollte nämlich nicht dazu herhalten, den Marktanachronismus, den sie darstellen, zu rechtfertigen. Es wird immer eine Minderheit geben, die meint, ausgerechnet mit Fernsehen kulturelle Standards setzen zu müssen. Dies soll sie ruhig tun dürfen. Sie kann aber nicht verlangen, daß auch jene zur Kasse gebeten werden, die sich statt dessen viel lieber die Exklusivität mit dem Decoder leisten würden. Eine subventionierte Kultur muß sich zudem die Frage gefallen lassen, was sie wirklich wert ist.

Wer einen freien und fairen Fernsehmarkt will, darf daher nicht tolerieren, daß die öffentlich-rechtlichen Sender mit ihren Gebühreneinnahmen ein Programm veranstalten, das den privaten Anbietern Konkurrenz zu machen in der Lage ist. Das Stillhalten der einstigen Marktneulinge hinsichtlich der Existenzgrundlagen der Etablierten war vor fast zwei Jahrzehnten nicht bloß taktisch motiviert. Es gründete sich auf die Erwartung, daß ARD und ZDF unbeweglich genug wären, um bloß noch in der Nische einen Platz zu finden.

Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Nun endlich könnte der Augenblick gekommen sein, die Liberalisierung zu vollenden – für Leo Kirch, der einen Return on Investment nur ungern vermissen würde, ist es dabei vielleicht sogar schon höchste Zeit. Nicht, daß er dabei gegen den Dualismus aus gebühren- und werbefinanziertem Fernsehen wäre. Er würde nur gerne in beidem die Hauptrolle spielen.


 
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