© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/01 02. März 2001

 
Szenenmeister der existenziellen Extreme
Film: US-Regisseur Stanley Kramer gestorben
Werner Olles

Stanley Kramer hatte Ende der vierziger Jahre in Hollywood zunächst als Filmproduzent begonnen. Für die Regieführung bevorzugte er damals Fred Zinnemann, wie in "Die Männer" ("The Men", 1950), in dem Marlon Brando einen gelähmten und impotenten Soldaten spielt, der sich gegen sein Schicksal aufbäumt. Auch in "Zwölf Uhr mittags" ("High Noon", 1952), einem Meisterwerk der Filmkunst, führte Zinnemann Regie. In den neunzig Minuten der Vorführung, die gleichzeitig auch die neunzig Minuten der Filmhandlung sind, sieht sich Sheriff Will Kane (Gary Cooper) von seinen Freunden und seiner Frau (Grace Kelly) verlassen und muß allein vier Banditen entgegentreten. In "Die Caine war ihr Schicksal" ("The Caine Mutiny", 1954, Regie: Edward Dmytryk) meutern die jungen Offziere eines Minenräumbootes gegen ihren durch den Krieg geistig und seelisch zerrütteten Kapitän.

Mitte der fünfziger Jahre begann Stanley Kramers Karriere als Regisseur. In "Flucht in Ketten" ("The Defiant Ones", 1957) spielen der weiße Tony Curtis und der schwarze Sidney Poitier zwei entflohene Kettensträflinge, die ihren eigenen Rassismus zu überwinden gezwungen sind. 1959 inszenierte er mit großem Staraufgebot (Gregory Peck, Ava Gardner, Fred Astaire, Anthony Perkins) "Das letzte Ufer" ("On the Beach"), einen prätentiösen Science-fiction-Film, in dem außer der südlichen Spitze von Australien die ganze Welt durch einen Atomkrieg zerstört ist. Während sich die radioaktive Wolke Melbourne nähert, empfängt ein amerikanisches U-Boot, das hier Zuflucht gefunden hat, rätselhafte Morsesignale aus Kalifornien. Als die Besatzung dem Ursprung der Signale nachgeht, stellt sich heraus, daß diese von einem offenen Fenster herrühren, das gegen den Signalgeber schlägt. In Melbourne bereiten sich die Menschen derweil auf den Tod vor, und die Regierung läßt Gift verteilen, damit sie der schrecklichen Verstrahlung entgehen können. Nur das U-Boot sticht in See, die Besatzung will den Tod im Meer finden. 1961 drehte Kramer "Das Urteil von Nürnberg" ("The Judgement at Nuremberg"), eine persönliche Abrechnung des liberalen Regisseurs mit dem Regime des Nationalsozialismus. In "Rat mal, wer zum Essen kommt" ("Guess Who‘s Coming to Dinner") – wiederum mit Sidney Poitier – thematisierte er 1967 noch einmal den amerikanischen Rassismus. Insgesamt waren seine Filme für fast achtzig Oscars nominiert, sechzehnmal gewannen sie die begehrten Trophäen, unter anderem Gary Cooper für "Zwölf Uhr mittags", Humphrey Bogart für "Die Caine war ihr Schicksal" und José Ferrer für "Cyrano de Bergerac". Am 19. Februar starb Stanley Kramer im Alter von 87 Jahren in Los Angeles.


 
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