© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/01 09. März 2001

 
Kolumne
Musterbeispiel
von Peter Sichrovsky

Jeden Mittwoch werden die Österreicher mit einem Magazin beglückt, das ihnen den Übergang vom Kind zum Erwachsenen erleichtert und mit bebilderten und leicht verdaulichen Geschichten sogenannte "News" anbietet. Wie bei allen Printmedien soll auch hier die Verpackung den Leser neugierig machen.

Vor ein paar Wochen nun konnte der verblüffte Käufer auf dem Titelblatt von News den ehemaligen Kanzler Klima erkennen, wie er gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinem verzweifelten Grinsen seine neue unpolitische Zukunft ankündigt. Nun, denkt sich der unkritische Leser eines kritischen Magazins, was hat der Ex-Kanzler da wieder ausgefressen, daß er diesen Ehrenplatz eroberte? Sind wir doch von anderen auf der Titelseite angekündigten Geschichten gewohnt, daß besonders kritisch und natürlich genauestens recherchiert dem Leser eine Wahrheit serviert wird, die ihn kopfschüttelnd und verzweifelt endlich erkennen läßt, wie wenig er bisher von so manchem Mächtigen wußte. Doch man blätterte und blätterte in der Klima-Geschichte, da war nichts zu entdecken, nichts Verbotenes, nichts Verborgenes, nichts Aufgedecktes.

Wenige Wochen später wissen wir heute wie spannend diese Reportage hätte sein können. Wir wissen – Gott sei Dank durch andere Medien –, daß der Ex-Kanzler mit einem zweistelligen Millionenbetrag sich aus dem Staub machte und dies auch noch, ohne zu erröten, mit den Schwierigkeiten erklärte, den Übergang ins Privatleben zu schaffen. Da gibt es nun einen Chef in diesem bunten Wochenmagazin, der sich zur Lebensaufgabe machte, die FPÖ aus der politischen Landschaft zu schießen. In TV-Diskussionen stellt er sich gerne als Retter der Demokratie dar, und seine Kommentare gleichen politischen Klageliedern.

Wie ernsthaft hatte er eigentlich damals die Titelgeschichte "Klima" recherchieren lassen? Wie verantwortungsvoll haben Journalisten in seinem Auftrag an dieser Reportage gearbeitet? Wie notwendig erschien es diesem Team selbsternannter Moral-Polizisten, den Lesern wahrheitsgetreue Informationen über den Ex-SPÖ-Kanzler zu liefern? Manchmal drehen sich Geschichten in ihr Gegenteil, und es fürchtet sich plötzlich der Wolf vor einem Rotkäppchen, das vielleicht die Macht erobert und rachesüchtig die altbewährte journalistische Treue und Verläßlichkeit neu bewertet.

Dem heimatlichen Journalismus wurde allerdings mit dieser Jubelgeschichte über den Ex-Kanzler, bei der die einzig interessante Information fehlte, ein weiterer Tiefschlag versetzt und seinen Lesern ein Musterbeispiel von Mißinformation und Manipula-tion der öffentlichen Meinung serviert.

 

Peter Sichrovsky ist Europaabgeordneter und der für Außenpolitik zuständige Generalsekretär der FPÖ.


 
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