© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/01 09. März 2001

 
Allah, der Bildner
Hadayatulla Hübsch

Daß die Taliban-Diktatoren in Afghanistan auf westliches Entsetzen über die angeordnete Zerstörung von Buddha-Statuen pfeifen, entspricht ihrer Borniertheit. Indes ist es schierer Fanatismus, daß sie auch Appelle aus der islamischen Welt nicht zur Kenntnis nehmen. So hat beispielsweise der radikalen Islam-Kreisen zuzuordnende ägyptische Intellektuelle Fahim Huwaidi jetzt davon gesprochen, der Bildersturm der Taliban spiegele ihren "verschlossenen Verstand" wider. Indes werden die Muslime in der Heiligen Schrift des Islams, dem Koran, immer wieder ermahnt, nachzudenken und ihren Verstand zu gebrauchen.

Daß der frühe Islam die Kultgegenstände und Kulturschätze anderer Völker und Religionen geachtet und nicht der Vernichtung preisgegeben hat (etwa auch in Andalusien und Indien), zeigt, daß jene, die unmittelbar dem Propheten Mohammed nachfolgten, die Barbarei der Taliban niemals gutheißen könnten. Schließlich fordert Gott (Allah) im Koran: "Schmähet nicht die, welche sie statt Allah anrufen, sonst würden sie aus Groll Allah schmähen ohne Wissen" (Sure 6 Vers 109). Und als Voraussetzung für ein Zusammenleben in einem Staat setzt der Koran die absolute Religions- und Gewissensfreiheit: "Laß den gläubig sein, der will, und den ungläubig sein, der will" (Sure 18 Vers 30).

Daß die Taliban sich dennoch anmaßen, die den Buddhisten heiligen Figuren zu zerstören, hängt damit zusammen, daß sie (wie auch der Westen) unkritisch von einem allgemeinen Bilderverbot im Islam reden. Indes kennt der Koran kein solches Gebot. Im Gegenteil, ein Beiname Allahs, der im Koran auftaucht, ist Musawwir, "der Bildner", und muslimische Künstler haben immer wieder darauf hingewiesen, daß dies bedeutet, daß auch figürliche Darstellungen im Zeichen der Kunst hergestellt werden dürfen, da es ja Pflicht der Muslime sei, sich Allahs Eigenschaften zu eigen zu machen.

Verboten ist im Islam allerdings die Herstellung von Darstellungen eines Gottes, der angebetet werden könnte. Da Gott keine materielle Gestalt hat, wäre seine bild-liche Verkörperung immer unvollkommen. "Götzenbilder" werden somit vom Koran als ein "Greuel, ein Werk des Satans" angesehen. Nicht aber Bilder generell. Selbst der Prophet Mohammed hatte in seinem Hause Kissen und Vorhänge, auf denen Lebewesen abgebildet waren, wie wir aus den islamischen Quellen wissen. Und im Koran zeigt Allah sogar Wohlgefallen über "Bildsäulen" (Sure 34 Vers 14), die der Prophet und König Salomon durch seine Künstler anfertigen ließ.


 
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