© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    12/01 16. März 2001

 
"Mit Rückgrat und mit Hinstehenkann man seine Position behaupten"
Interview mit Republikaner-Chef Rolf Schlierer über neun Jahre Oppositionsarbeit im baden-württembergischen Landtag, den Extremismus-Vorwurf gegen seine Partei und die Möglichkeiten einer rechts-konservativen Opposition in Deutschland
Dieter Stein

Herr Dr. Schlierer, normalerweise zerfallen Parlamentsfraktionen rechter Parteien bereits nach neun Monaten in ihre Einzelteile. Wie fällt Ihr Resümee über neun Jahre Parlamentsarbeit der Republikaner im Landtag von Baden-Württemberg aus?

Schlierer: Diese Zeit zerfällt in zwei Abschnitte: Die ersten vier Jahre waren davon geprägt, eine Fraktion aufzubauen und die notwendigen Erfahrungen im parlamentarischen Betrieb und in der parlamentarischen Tagesarbeit zu sammeln. Wir haben in den letzten fünf Jahren eine Fülle recht interessanter parlamentarischer Initiativen einbringen können.

Man hat seitens der anderen Parlamentsfraktionen versucht, die Republikaner quasi unter Quarantäne zu stellen.

Schlierer: Wenn man die Zeitungen der letzten Wochen liest, bekommt man ein anderes Bild. Da wird ganz offen berichtet, daß sich Republikaner mit CDU-Kollegen duzen oder auch gut mit SPD-Parlamentariern zusammenarbeiten, besonders, wenn es um irgendwelche Kandidaturen geht.

Wie sieht die Realität aus?

Schlierer: Es hat in den letzten neun Jahren verschiedene Versuche gegeben, die Republikaner regelrecht auszugrenzen. Es gab den Versuch einer Art Kontaktsperre, es gab den Versuch, unsere Debatten einfach zu negieren, sich nicht zu beteiligen. Es gab auch zeitweise den Versuch, uns massiv anzugreifen. Alle diese Versuche sind gescheitert. Aus diesem Scheitern resultiert heute eine allgemeine Hilflosigkeit der anderen politischen Parteien und Fraktionen. Im Ergebnis ist es natürlich so, daß man sich in dieser parlamentarischen Arbeit, in den Ausschüssen oder auf gemeinsamen Unternehmungen, eben doch näherkommt und daß es da und dort auch eine manchmal versteckte und manchmal ganz offene Sympathie für uns gibt. Deswegen ist es nicht überraschend, daß einem einige auf die Schulter klopfen, obwohl die Fraktionsführung nach wie vor auf Abgrenzung setzt.

Können Sie Beispiele für konkrete Zusammenarbeit anderer Fraktionen mit Ihnen nennen?

Schlierer: Also, man möge sich bitte vor folgender Fehlvorstellung bewahren. In einem Parlament, in dem es eine klare Mehrheit durch eine Koalition von zwei Fraktionen gibt, kann die Opposition im eigentlichen Sinne nicht kooperieren, weder die SPD bei uns noch die Grünen noch wir als Republikaner. Die Regierungskoalition hat ihre Projekte durchgezogen. Aber es gab auf der kommunalpolitischen Ebene in den letzten Jahren mehrere Fälle, in denen die CDU sich unserer Stimmen versichert hat, beispielsweise bei Landratswahlen. Wir haben auch im Landtag erlebt, daß die CDU uns offen Beifall gegeben hat, daß es eine Gemeinsamkeit in Positionen gibt, während innerhalb der Regierungskoalition CDU/FDP da und dort Bruchlinien sichtbar wurden. Und im Petitionsausschuß hat sich die CDU beispielsweise regelrecht darauf verlassen, daß die Republikaner anwesend sind und für die entsprechende Mehrheit sorgen.

Also auch gegen den Koalitionspartner FDP?

Schlierer: Ja, bisweilen auch gegen die FDP. Wir haben auch in der Drogenpolitik diese Konstellation, daß CDU und Republikaner gegen die Ampel stehen. Das ist immer wieder in den Debatten deutlich geworden.

Sie werfen den Medien Heuchelei vor, wenn noch von Quarantäne oder Isolation der Republikaner gesprochen wird?

Schlierer: Zunächst einmal haben wir uns in den vergangenen neun Jahren nie in dem Sinne ausgrenzen lassen, daß wir uns in den Schmollwinkel zurückgezogen oder eine Wagenburg aufgebaut hätten. Wir sind immer offen auf die anderen zugegangen, und inzwischen zeigt sich eben, daß diese im Umgang inakzeptable Vorgehensweise der anderen auch menschlich an Grenzen stößt. Es gibt da ein paar Verklemmte bei der SPD, die meinen, sie könnten einen nicht grüßen, aber alle anderen haben gemerkt, daß das im täglichen Miteinander einfach nicht geht. Deswegen ist auch der Versuch der CDU-Führung, krampfhaft auf Distanz gegenüber den Republikanern zu bleiben, verlogen und unhaltbar.

Wo hat sich die Existenz der Republikaner-Fraktion in einer geänderten Landespolitik niedergeschlagen?

Schlierer: Eine ganz konkrete Korrektur hat es bei der Frage gegeben, ob eine sich als Islamistin bekennende Referendarin in den Schuldienst übernommen werden sollte oder nicht. Das war eine angehende Lehrerin, die glaubte, an unseren westlichen Schulen unbedingt mit Kopftuch unterrichten zu müssen. Wenn die Republikaner das nicht auf die Tagesordnung gesetzt hätten, wäre das durchgegangen. So wurden alle anderen Fraktionen dazu gezwungen, Farbe zu bekennen, und das führte dann dazu, daß diese Frau nicht eingestellt wurde. Heute wissen wir, daß hinter ihr einflußreiche islamistische Gruppierungen standen, so daß wir in unserer Haltung in dieser Hinsicht bestätigt wurden. Wir haben bereits 1995 mit einer Polizeirechtsnovelle letzten Endes die anderen veranlaßt, dann zu Beginn der neuen Legislaturperiode die sogenannten verdachts- oder ereignisunabhängigen Kontrollen einzuführen. Wir haben mit unserem Plädoyer für den Opferschutz die Landesregierung dazu gezwungen, sich dieses Themas anzunehmen und jetzt mit Verkaufserlösen aus Privatisierungen auch einen solchen Opferschutzfonds einzurichten. Und wir haben haben ganz aktuell mit einer Initiative, nämlich dem Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz, auch schon den Startschuß dafür gegeben, daß in der nächsten Legislaturperiode mit Sicherheit ein solches Gesetz kommt, weil es von den anderen Fraktionen aufgegriffen werden wird.

Wie erklären Sie sich, daß die Republikaner als Rechtspartei ausgerechnet in Baden-Württemberg dauerhaften Erfolg haben?

Schlierer: Es gibt von Parteienforschern die absurdesten Theorien zu diesem in der Tat interessanten Phänomen. Tatsache ist, daß die Republikaner seit ihrem Bestehen in Baden-Württemberg eine sehr kontinuierliche Entwicklung genommen haben und im Gegensatz zu anderen Landesverbänden keine Querelen nach außen haben sichtbar werden lassen. Die kommunalpolitische Arbeit hat nachhaltig und auf Dauer angelegt funktioniert und die Fraktion nach 1992, also nach dem Einzug in den Landtag, eine solide und deswegen auch darstellbare Arbeit geleistet. Ich glaube, daß das draußen bei den Wählerinnen und Wählern ankommt und die Bürger auch gemerkt haben, daß das eine politische Perspektive bedeutet.

Das sind jetzt organisatorische, interne Voraussetzungen seitens Ihrer Partei. Warum haben Sie aber ausgerechnet in einem der prosperierendsten Länder solchen Erfolg?

Schlierer: Weil eben die Vorstellung, daß eine rechte Partei nur dort gewählt wird, wo es wirtschaftlich schlecht geht, falsch ist. Es ist vielmehr so, daß es auch in jenen Bundesländern, in denen die wirtschaftliche Entwicklung besser war als in anderen, es Probleme gibt, die die Leute überall bedrängen und auf die die anderen Parteien keine Antworten finden oder auszusitzen versuchen. Daraus entsteht regelrecht eine Marktlücke, die von den Republikanern besetzt wird.

Sie haben ein Personalproblem: 1989/90 dominierten Polizisten, Soldaten, also insgesamt Beamte die Mitgliedschaft. Hochschullehrer saßen im Vorstand. Im Laufe der Jahre hat sich das geändert. Sind das Auswirkungen des Vorgehens des Verfassungsschutzes gegen die Republikaner?

Schlierer: Ich glaube, daß man so pauschal nicht sagen kann, daß Beamte aus dem Führungsbereich regelrecht verschwunden sind. Es hat sicherlich in den vergangenen Jahren verschiedentlich Versuche gegeben, Beamte unter Druck zu setzen. Tatsache ist aber, daß wir sämtliche Disziplinarverfahren bis heute gewonnen haben ...

Um wie viele Verfahren ging es?

Schlierer: Etwa zehn Verfahren. Wir haben hier rechtskräftige Urteile, die deutlich gemacht haben, daß Bestrebungen, Mitglieder der Republikaner, die im öffentlichen Dienst stehen, mit disziplinarischen Mitteln zu belangen, rechtswidrig sind. Wir haben jetzt vor dem Truppendienstgericht Süd in München einige sehr lesenswerte Urteile bekommen, in denen sich die Kammern sehr intensiv mit den Republikanern auseinandergesetzt haben und diese ganzen Anschuldigungen des Verfassungsschutzes hieb- und stichfest widerlegt haben. Ich glaube, daß deswegen von diesen Verfahren ein Signal ausgeht, daß man mit Rückgrat mit Hinstehen durchaus seine Position behaupten kann, wenn man im öffentlichen Dienst ist und sich bei den Republikanern engagiert.

Wie sieht Ihre Strategie gegen die Stigmatisierung durch den Verfassungsschutz als "rechtsextreme Partei" aus? Gab es Fehler, aus denen Sie gelernt haben, wenn ja, wie? Welche Konsequenzen haben Sie gezogen?

Schlierer: Es gibt natürlich Erfahrungen mit der Verwaltungsgerichtsbarkeit, die nicht immer positiv sind. Es gibt vereinzelt auch Entscheidungen, die meiner Ansicht nach nicht tragbar sind. Ich will aber jetzt keine Richterschelte betreiben. Entscheidend war für uns eines: Erstens, trau dem Verfassungsschutz nicht, denn er lügt, zweitens, hinterfrage alles, was der Verfassungsschutz behauptet, denn oft stimmt es nicht, und drittens, haben wir aus dem Fall Axel Reichert gelernt ...

Wer war Axel Reichert?

Schlierer: ... das war ein verdeckter Ermittler des LKA Baden-Württemberg, der eine Neonaziszene nicht aufgespürt, sondern aufgebaut hat. Wir haben aus diesem Fall gelernt, daß es einen staatlich organisierten Beschaffungsextremismus gibt, der dazu dient, jenen Neonazi-Popanz aufzubauen, den man anschließend braucht, um gegen die Republikaner argumentieren zu können.

Wieviele Prozesse führen Sie gegen Verfassungsschutzämter und wie stark sind Ihre Kräfte durch diese Prozesse gebunden?

Schlierer: Wir führen eine ganze Reihe von Verfahren vor Verwaltungsgerichten in den verschiedenen Ländern. Diese Verfahren binden zwar Kräfte, aber es ist nicht so, daß wir uns durch diese Verfahren nun in unserer politischen Arbeit behindern lassen würden.

Gibt es auch Fehler, die Sie selbstkritisch einräumen in der Entwicklung Ihrer Partei?

Schlierer: Ich glaube, daß eine junge Partei immer in ihrer Anfangsphase Wege suchen muß und dabei sicherlich auch mal zeitweise eine Richtung nehmen kann, die nicht der entspricht, die sich letztlich dann als die richtige herausstellt. Deswegen hat es auch bei uns – genauso wie am Anfang der CDU oder der SPD, als es ja auch keineswegs schon den Kurs gab, der heute als seit jeher bestehend angesehen wird – in den achtziger Jahren noch andere Vorstellungen gegeben, die sich ja auch entsprechend im Parteiprogramm niedergeschlagen haben. Ich kann heute sagen, seit 1994 ...

... seit Ihrer Übernahme des Bundesvorsitzes der Republikaner ...

Schlierer: ... hat die Partei einen sehr klaren Kurs eingenommen, hat ihn konsequent verfolgt, hat ihn programmatisch in der politischen Arbeit umgesetzt. Der einzige Fehler, den ich mir da und dort vorwerfen lassen muß, ist eigentlich, daß ich mit dem einen oder anderen, der hier als Querulant oder als agent provocateur unterwegs war, zu nachsichtig umgegangen bin.

Ihre Wahlkampagne in Baden-Württemberg ist von österreichischen Werbeprofis entworfen worden, die auch für die FPÖ gearbeitet haben. Wie stark profitieren Sie von den Erfahrungen der FPÖ, wie stark lehnen Sie sich an Wahlkampfstrategien der FPÖ an?

Schlierer: Es ist zunächst das erste Mal, daß wir überhaupt eine Agentur mit der Vorbereitung und den konkreten Maßnahmen betraut haben. Daß wir uns sozusagen dieser Hilfe von professioneller Seite versichert haben ist für uns überhaupt schon mal ein Schritt nach vorne, und es hat sich auch gezeigt, daß wir als durchaus erfahrene Wahlkämpfer, aber eben nicht als Profis im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und der Werbung, manches in der Vergangenheit falsch gemacht haben. Von der FPÖ lernen heißt sicherlich auch Erfolgreiches zu übernehmen und zu adaptieren. Aber grundsätzlich ist nach wie vor festzuhalten, daß die Verhältnisse der Republik Österreich anders als bei uns sind. Deswegen kann man auch die Dinge nicht einfach direkt übernehmen, sondern man muß sie soweit weiterentwickeln, daß sie in unsere politische Landschaft passen.

Was ist die wesentliche Botschaft, die durch diese neue Wahlkampflinie vermittelt wird?

Schlierer: Es ist zum einen eine freundliche und sympathische Botschaft, nämlich die Botschaft, daß wir etwas Positives bewirken wollen, daß wir bestimmte Ziele haben, daß wir uns zu bestimmten Positionen bekennen. Es ist zugleich aber auch eine Darstellung, die uns als – und das entspricht ja auch unserem Selbstverständnis – junge und dynamische Partei zeigt, die nicht verkniffen ihre Ziele verfolgt, sondern die auch Spaß an der Politik hat. Das sieht man am schönsten an unserem Wahlmaskottchen, nämlich dem blauen Löwen.

In Österreich sind Haider und die FPÖ vor einigen Jahren noch ähnlich scharf bekämpft worden, auch wenn nun in Österreich die Verhältnisse etwas anders sind. Heute sitzen FPÖ und ÖVP in einer gemeinsamen Bundesregierung. Halten Sie das für Baden-Württemberg in nächster Zeit auch für denkbar, daß Sie irgendwann in einem Kabinett mit der CDU sitzen?

Schlierer: Politik hat ja nur dann Sinn, wenn man faktisch auch auf die Verhältnisse Einfluß nehmen kann. Das bedeutet in der Konsequenz das Ziel der Regierungsbeteiligung. Auf der anderen Seite mache ich mir nichts vor. Im Falle einer Regierungsbeteiligung von Republikanern wird es einen internationalen Aufstand gegen Deutschland geben. Ich bin mir allerdings sicher, daß dann die Deutschen genauso reagieren werden wie die Österreicher, daß sie sich nämlich bewußt machen, daß es mit den höheren Ansprüchen der Völkergemeinschaft nicht weit her ist, wenn irgendwo politische Entwicklungen stattfinden, die anderen Staaten mißfallen. Das könnte dann dazu führen, daß es auch zu einer Bewußtseinsbildung in unserer Bevölkerung kommt, die längst überfällig ist.

Wie erklären Sie sich, daß die Union derart ablehnend auf die Republikaner und jede andere theoretisch denkbare demokratische Alternative rechts von ihr reagiert?

Schlierer: Das ist Ausdruck der bodenlosen Feigheit der CDU-Führung, die sich an vielen Punkten zeigt. Man muß sich ja nur mal bewußt machen, daß die Unionsführung nicht einmal in der Lage ist, die Debatte über die deutsche Leitkultur zu führen. Genauso rückgratlos verhält die Union sich dort, wo es eigentlich um ihre eigene strategische Perspektive geht. Ich gehe aber davon aus, daß sich diese Abgrenzungshaltung einmal ändern wird, weil die Union ansonsten sozusagen im politischen Abseits, in der Daueropposition landen würde.

Gesetzt den Fall, die Republikaner ziehen wieder in den Landtag von Baden-Württemberg ein, welche Chancen sehen Sie realistisch, in nächster Zukunft über Baden-Württemberg hinaus weitere Erfolge für die Republikaner zu erzielen?

Schlierer: Ich glaube, daß wir, wenn nicht damals unglücklicherweise diese schwarzgeldfinanzierte Kampagne der CDU gegen die doppelte Staatsangehörigkeit gelaufen wäre, auch in Hessen geschafft hätten. Wir werden sicherlich versuchen, im nächsten Jahr bei den Kommunalwahlen in Bayern und dann ein Jahr später bei der bayerischen Landtagswahl noch einmal einen entsprechenden Anlauf zu nehmen, und dabei vor allen Dingen die Erfahrungen, die wir hier gesammelt haben, umsetzen. Ich gehe nach wie vor davon aus, daß der Weg richtig ist: über die Kommunalparlamente in die Landtage und erst dann der Griff nach dem Bundestag.

Welche Partner sehen Sie für Ansätze außerhalb Baden-Württembergs, Stichwort Schill-Partei in Hamburg?

Schlierer: Zunächst einmal habe ich aus den Erfahrungen, die ich in den letzten Jahren sammeln konnte, nicht den Eindruck gewonnen, daß wir uns jetzt um jeden Preis an irgendwelche Kleinstparteien, die in der Regel auch nur von kurzer Lebensdauer sind, anhängen müßten oder dort nun krampfhaft nach Partnern suchen sollten. Wir haben zwar ganz bewußt in den letzten Jahren den Kontakt zu dem inzwischen aufgelösten BFB gesucht. Wir haben auch durchaus auf örtlicher Ebene versucht, mit solchen kleineren Gruppierungen zusammenzuarbeiten. Entscheidend aber ist für uns, daß wir unsere eigene Linie durchhalten und erst mal selbst unseren Erfolg schaffen, und dann stellt sich für mich erst in zweiter Linie die Frage, mit wem man denn koalieren soll.

Wollen Sie denn im Herbst konkurrierend gegen Schill in Hamburg kandidieren, oder halten Sie dies noch offen?

Schlierer: Diese Entscheidung liegt bei unserem Bundesvorstand und wird erst nach der Landtagswahl gefällt.

Noch einmal zu Ihren Inhalten: Ihnen wird regelmäßig pauschal Ausländerfeindlichkeit vorgeworfen.Welche Konzepte haben Sie auf diesem Gebiet, und müssen sich Ausländer wirklich vor Ihrer Partei fürchten?

Schlierer: Erstens gibt es keinen dämlicheren Vorwurf als den der "Ausländerfeindlichkeit". Zweitens gibt es inzwischen genügend Ausländer, die mit offenen Augen und mit wachem Geist hier durchs Land gehen und die uns immer wieder klar und deutlich sagen, daß wir die Partei sind, die sich am ehesten um die Interessen jener bemüht, die schon seit langem hier leben, sich rechtstreu verhalten und sich weitgehend integriert haben. Ferner ist natürlich festzuhalten, daß wir keine Multi-Kulti-Einwanderungsgesellschaft werden können. Die Probleme, die aus der ungezügelten Massenzuwanderung der letzten Jahre entstanden sind, werden immer deutlicher. In dieser Hinsicht haben wir mit unseren Warnungen recht behalten, aber auch mit unseren Vorschlägen, die darauf hinauslaufen, jede weitere Zuwanderung zu unterbinden und deutlich zu machen, daß Integration nur mit Assimilation möglich ist.

Was sagen Sie denn einem vermeintlichen Sympathisanten, der allen Ernstes glaubt, Deutschland müsse alle Ausländer loswerden?

Schlierer: Merkwürdigerweise werden solche Vorstellungen gar nicht an uns herangetragen. Deswegen ist es eine rein spekulative Frage. Es geht allenfalls darum, wer bei uns ein Aufenthaltsrecht bekommen soll und wer von denen, die zu uns gekommen sind, nicht in diesem Land bleiben kann. Hier gibt es klare Kriterien. Es kann nicht sein, daß jemand hierher kommt, um zu arbeiten, dann aber keinen Arbeitsplatz findet und der Sozialhilfe zur Last fällt. Es kann ferner nicht sein, daß hier jeder unbegrenzten Familiennachzug praktiziert, und es kann natürlich auch nicht sein, daß wir uns hier sozusagen als Sozialamt Mitteleuropas betätigen. Hier gibt es Grenzen, und die Grenzen müssen vor allen Dingen auch im Interesse jener Ausländer eingehalten werden, die ja selbst Beiträge zur Sozialversicherung zahlen.

Aber von Ihnen wird man nicht eine illusionäre Vorstellung hören, daß Deutschland ohne Ausländer klarkommen würde?

Schlierer: Unsere Parole war nie "Ausländer raus". Diese Parole ist Unsinn. Vielmehr haben wir verstanden, daß Deutschland Zuwanderer in den letzten 30 Jahren aufgenommen hat, die auch weiterhin bei uns leben werden, die sich auch integrationsfähig zeigen. Mit diesen Leuten haben wir auch überhaupt kein Problem. Unser Problem, das will ich nochmals deutlich machen, sind jene, die hier als Wirtschaftsflüchtlinge hergekommen sind, die hergekommen sind, um Straftaten zu begehen, die hergekommen sind, um sich in die soziale Hängematte zu legen. Hier müssen die Grenzen gezogen werden. Das ist etwas völlig anderes als die Parole "Ausländer raus"!

Sie hatten in Hamburg einen eingebürgerten Türken der ersten Gastarbeitergeneration, der an vorderster Stelle bei der letzten Landtagswahl kandidiert hat. Eine Selbstverständlichkeit?

Schlierer: Wir haben eine klare Vorgabe in unserer Parteisatzung. Mitglieder können bei uns nur deutsche Staatsbürger werden. Jemand, der deutscher Staatsbürger geworden ist, hat selbstverständlich die Möglichkeit, Parteimitglied zu werden und Positionen zu besetzen. Dies stellt für uns kein Problem dar. Wir haben auch in anderen Landesverbänden – wie zum Beispiel in Hessen – auf der kommunalpolitischen Ebene mehrere Eingebürgerte, die auf unseren Listen kandidieren. Gerade diese Neubürger zeichnen sich bisweilen durch eine sehr entschiedene Position in der Einwanderungsfrage aus. Gerade von ihnen hört man immer wieder, daß schnell und dringend gehandelt werden muß, wenn nicht eine Destabilisierung unserer sozialen und politischen Situation eintreten soll.

Es ist also ein Trugschluß, wenn manche davon ausgehen, eingebürgerte Gastarbeiter stünden automatisch politisch links? Würden Sie sogar sagen, daß diese eher konservativ orientiert sind?

Schlierer: Das kann man so generell nicht sagen, aber interessanterweise gibt es auch unter Türken nicht wenige, die eigentlich eher mit den Republikanern sympathisieren als beispielsweise mit der SPD oder den Grünen.

Weil sie ein traditionelles Verhältnis zur Familie, zu Recht und Ordnung haben?

Schlierer: Nein, weil sie sehr bewußt die Gefahr wahrnehmen, die ihnen droht, wenn die Entwicklung weiter so läuft wie bisher. Daß nämlich irgendwann die Gesamtsituation umkippt. Inzwischen gibt es viele Türken, die eine berechtigte Furcht vor dem sich weiter ausbreitenden Islamismus oder Fundamentalismus bei ihren hier lebenden Landsleuten hegen und die deswegen daran interessiert sind, daß die weiter fortschreitende Ghettoisierung oder die Herausbildung von Parallelgesellschaften unterbunden wird.

Was ist Ihr Konzept zur Gewährleistung auch der Bewahrung religiöser Identität beispielsweise der hier lebenden Türken?

Schlierer: Zum einen haben wir deutlich gemacht, daß ein konsequenter Islam mit den Normen des Grundgesetzes nicht vereinbar ist. Das war einer unserer Arbeitsschwerpunkte in der letzten Wahlperiode. Wir haben das in Vorträgen und Publikationen und auch in parlamentarischen Initiativen klar dargestellt. Zum zweiten muß man darüber aufklären, daß es zunehmend Gruppierungen gibt, die in der Bundesrepublik Deutschland versuchen, eine sehr fundamentalistische Position aufzubauen, beispielsweise einige Moscheen-Trägervereine. In dem Zusammenhang gilt natürlich auch in der Kommunalpolitik unser Augenmerk den Bestrebungen, in diesem Land immer mehr Moscheen zu bauen. Das wollen wir verhindern. Wir sind nicht gegen die Religionsfreiheit, aber wir lesen die Verfassung genauer als andere. Deswegen wissen wir, daß Baden-Württemberg nach der Landesverfassung ein christliches Land ist. Dieses Land muß sich nicht vom Islam erobern lassen.

Wollen Sie aus den Türken Christen machen? Irgendeine Art der Religionsausübung muß es ja geben!

Schlierer: Nein, wir wollen zunächst einmal deutlich machen, daß es nicht unbedingt sinnvoll ist, überall in den Städten Moscheen zu bauen und Einrichtungen wie Schulungszentren o. ä. zuzulassen, die dann zwangsläufig von Angehörigen oder Anhängern der Refah-Partei oder anderen Gruppierungen dazu mißbraucht werden, hier Kader für einen Gottesstaat auszubilden, die in der Türkei selbst überhaupt gar keine Möglichkeit hätten, so etwas zu unternehmen. Zum zweiten wollen wir ständig auf das Thema islamischer Fundamentalismus aufmerksam machen. Wir wollen die Diskussion darüber führen, und wir haben deswegen auch im Landtag dafür gesorgt, daß dieses Thema nicht von der Tagesordnung abgesetzt wurde. Und zum dritten sind wir auch im Dialog mit Vertretern solcher Vereine.

Sie haben sich in Mannheim in der örtlichen Moschee mit Vertretern des dortigen Trägervereins zusammengesetzt ...

Schlierer: Ja, und wir haben konkrete Fragen gestellt und aus den Antworten entnehmen können, daß es sehr wohl eine bewußte Strategie im Sinne einer Eroberung gibt. Hierzu ein kleiner Hinweis: Moscheen bei uns tragen nicht durch Zufall regelmäßig die Namen von osmanischen Eroberern, damit sozusagen programmatisch angedeutet werden soll, daß sich hier der Islam auf dem Vormarsch sieht.

Wo sehen Sie denn dann einen Mittelweg oder einen Kompromiß?

Schlierer: In der Praxis sieht das so aus, daß wir uns gegen die Einführung eines staatlichen Islamunterrichts ausgesprochen haben. Koranschulen wie jene im Sinne eines Herrn Kaplan oder anderer Vordenker, die gegen unser Land Stimmung machen und junge Leute gegen die wirkliche Leitkultur aufhetzen müssen geschlossen und ihre Agitatoren sofort ausgewiesen und abgeschoben werden, meinetwegen auch in Zusammenarbeit mit der Türkei, dafür gesorgt werden, daß solchen Organisationen schlichtweg der Boden entzogen wird. Das kann beispielsweise durch das Vereinsgesetz geschehen.

Wir reden jetzt aber von den radikalen Islamisten.

Schlierer: Wir haben noch nie etwas dagegen gehabt, daß hier lebende Muslime in Gebetsräumen ihre Religion ausüben, wie das in der Vergangenheit auch schon der Fall war. Das ist nicht Streitgegenstand. Das Problem, das wir heute haben, ist ein immer aggressiver und offensiver auftretender Islam, und da gilt unser Ansatz.

Ein anderes Stichwort: die EU-Osterweiterung. Stellen Sie sich dagegen?

Schlierer: Die Erweiterung der Europäischen Union im Sinne der Ausweitung des Binnenmarktes nur Sinn, wenn die Beitrittsländer ein bestimmtes volkswirtschaftliches Niveau erreicht haben. Dies liegt bei den nächsten fünf Kandidaten in Osteuropa nicht vor. Deswegen steht uns klar vor Augen, daß diese Entwicklung nicht ohne weitere Subventionen möglich sein wird. Da muß dann eines klar sein, daß nämlich die Deutschen mit ihrem jetzigen Nettobeitrag von über 30 Milliarden an der Grenze angelangt sind und daß es von uns keine müde Mark mehr für die EU geben kann.

Familienpolitik. Sie setzen in Ihrem Wahlkampf besonders auf ein Thema: Einführung eines Familiengeldes in Höhe von 1.000 Mark pro Kind und Monat.

Schlierer: Zunächst einmal hat der Verwaltungsgerichtshof hier in Baden-Württemberg entschieden, daß das Landeserziehungsgeld auch türkischen Staatsangehörigen gewährt wird. Ausschlaggebend war hierbei die Interpretation des Assoziierungsabkommens, das ja die Türkei in erheblichem Umfang bereits jetzt an die EU mit anschließt oder heranführt. Grundsätzlich kann eine solche Leistung nur dann sinnvoll sein, wenn sie den deutschen Staatsangehörigen gewährt wird. Man wird sicherlich die EU-Ausländer miteinbeziehen müssen, auch unser Konzept sieht das vor. Die Frage ist nun, wie man mit diesem Assoziierungsabkommen umgeht: Da ist für uns zunächst die Forderung, daß solche Abkommen, auch die Sozialversicherungs-Abkommen mit der Türkei, einer Revision unterzogen werden müssen. Wir können uns nicht leisten, Krankenversicherungsleistungen zu erbringen, die an Angehörige in Deutschland lebender türkischer Arbeitnehmer im Heimatland Türkei gezahlt werden. Wir müssen vermeiden, daß ein Anreiz gesetzt wird, Deutschland als Kreißsaal der Welt zu benutzen. Deswegen knüpfen wir die Gewährung des Familiengeldes an EU-Ausländer an Mindestbedingungen: 60 Monate Einzahlungen in die Sozialversicherung, ein gesicherter Aufenthaltsstatus, ein dauerhafter Lebensmittelpunkt in Deutschland. Wir wollen verhindern, daß auch hier wieder unsere Sozialkassen geplündert werden.

Stichwort Rente. Die großen Parteien sind der Meinung, daß durch Einwanderung eine Kompensation für den Rückgang von Beitragszahlern stattfinden soll. Weniger populär ist die Forderung nach einer aktiven Bevölkerungspolitik, die sich aber nach Auffassung von Experten ja auch erst mit großer Verzögerung auswirken soll. Welches Konzept vertreten Sie?

Schlierer: Es ist festzuhalten, daß sich Zuwanderung nicht rechnet. Das ist wissenschaftlich längst bewiesen worden. Zwar nicht in Deutschland, aber Gott sei Dank im Nachbarland Schweiz, wo ja noch Dinge publiziert werden können, die bei uns nicht mehr an die Öffentlichkeit gelangen. Zum zweiten werden wir unser Rentenproblem nicht durch die Anwerbung von Leuten aus aller Herren Länder lösen können. Und zum dritten haben wir vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung schon vor sieben Jahren die Forderung aufgestellt, das Gesamtsystem umzustellen und schrittweise und so schnell wie möglich vom bisherigen Umlageverfahren auf ein Art Kapitaldeckungsverfahren mit persönlichen Rentenkonten umzusteigen. Dies kann man mit einer Mindestabsicherung abfedern. Vor allen Dingen aber hätten wir den Vorteil, daß damit die versicherungsfremden Leistungen aus der Rentenversicherung ausgegliedert würden. Dann wäre es um die Finanzierung der Renten nicht schlecht bestellt.

Eine persönliche Frage: Sie gelten gelegentlich als eine kühle, manche sagen arroganten akademischen Dünkel pflegende Person. In einem Interview mit der Journalistin Herlinde Kölbl werden Sie zitiert mit dem Satz, daß Sie Angst hätten vor einer "Dilettanten-Truppe" in bezug auf Ihre Abgeordneten, daß manche "zu dämlich" seien, eine simple Anfrage an die Landesregierung zu verfassen. Wenn man nun die Wahlplakate sieht und das Bild, das jetzt transportiert wird, entdeckt man einen heiteren, volksnahen Politiker, von Frau und Kindern umringt. Haben Sie sich geändert?

Schlierer: Ich habe mich weder geändert, noch habe ich jemals irgendeinem Dünkel oder irgendeiner Arroganz angehangen. Das ist mir interessanterweise regelmäßig von parteiinternen Gegnern angehängt worden und ist dann natürlich begierig von Journalisten aufgegriffen worden. Was ich 1992 in einem Interview gesagt habe, habe ich 1995, das wird dann immer geflissentlich nicht gelesen, gegenüber Frau Kölbl ja entsprechend korrigiert. 1992 hat es in der Anfangszeit zweifelsohne Probleme gegeben. Ich habe aber schon 1995 darauf hingewiesen, daß die Situation sich völlig geändert hat, weil die Mitglieder der Fraktion zum Teil ganz hervorragend entwickelt und als leistungsfähig erwiesen haben, so daß die Gesamtentwicklung heute ganz anders zu beurteilen ist als vor acht oder vor neun Jahren.

Pünktlich zur Landtagswahl sind Sie heute früh vor unserem Gespräch Vater geworden. Was ist Ihnen künftig wichtiger, die Politik oder die Familie?

Schlierer: Also, die Familie hat bei mir sicherlich Priorität. Das wird auch in Zukunft so gehalten werden. Da ich aber ein pflichtbewußter Zeitgenosse bin, werde ich natürlich meine anderen Aufgaben nicht vernachlässigen.

Wie lange werden Sie Politik machen?

Schlierer: Solange es mir Spaß macht und solange auch in Deutschland noch etwas zu verändern ist.

 

Rolf Schlierer wurde 1955 in Stuttgart geboren. Er studierte nach dem Abitur Medizin in Gießen und erhielt 1979 die Approbation. Nach dem Grundwehrdienst als Sanitätsoffizier finanzierte er als Arzt ein Studium der Rechtswissenschaft und Philosophie in Tübingen. Seit 1991 arbeitet er als Rechtsanwalt in Stuttgart. Schlierer, von 1976 bis 1979 Mitglied im RCDS, trat 1987 den Republikanern bei und wurde 1992 Landtagsabgeordneter in Baden-Württemberg. 1994 übernahm er als Nachfolger von Franz Schönhuber den Parteivorsitz der rechtskonservativen Partei. 1996 gelang den Republikanern mit 9,1 Prozent der Wiedereinzug in den baden-württembergischen Landtag.

Informationen: Die baden-württembergischen Republikaner sind im Internet präsent unter www.rep-bw.de  .

 

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