© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    12/01 16. März 2001

 
Nachlese zum Frauentag: Blumen in der Hand und den Mann ins Salzsäurebad
Claras Enkelinnen lassen es krachen
Ellen Kositza

Der "Welttag des Mannes" war im November begangen worden, still, fast heimlich, medienmäßig ein leichtes Mehr an Aufrufen zur Prostatabeobachtung, sonst ein leiser Tag des Gedenkens. Wieviel lauter im Vergleich dazu der Wirbel um den 8. März, um die ganze Woche drumherum, Frauenwoche, Frauentag. Auf der Straße anläßliche Blumen vom Großkaufhaus, von den CDU-Frauen, vom DGB sowieso. In der Zeitung thematische Veranstaltungshinweise noch und nöcher, kein Fernsehsender, keine Radiostunde ohne frauenspezifische Einlagen, sei es die Lage der Frauen in El Salvador, Schicksale weiblicher Scheidungsopfer oder Doris Fitschens Weggang nach Übersee, weil Frauenfußball hierzulande noch immer geächtet wird. Auch der "Kultursender" arte trumpfte eigens zum Frauentag mit einer ganzabendlichen Pimmelshow auf. Wie bescheiden die Mobilisierung zum Muttertag dagegen, rührende Fleuropwerbung und ein Kindergartenkunstwerk, ansonsten hat’s dieser Tag mit dem Ruch des eher Biederen reichlich schwer, darf man schließlich das Diskrimierungspotential eines solchen Ehrentags gegenüber der Restfrauenwelt nicht unterschätzen.

Reichlich ironiefrei stellte die taz ihre gesamte 8. März-Ausgabe unter das Zeichen der geknechteten, entrechteten Menschheitshälfte, dem Heft vorauswehend die geistreiche Einmaligkeit, daß "beim Morden, Brennen, Vergewaltigen und Vernichten" immer noch die Männer "einsame Spitze" seien. Als Skribentin der Klage zeichnet hier Bascha Mika – in den Chefredaktionssessel werden sie also immerhin gelassen, die Unterdrückten. Niemand, so der nicht ganz neue Vorwurf, niemand traue sich heute "so brutal-befreiend gegen die Verhältnisse zu fantasieren", wie es dereinst Valerie Solanas "genüßlich-sadistisch" tat: "Vernichtet die Männer!" Ja, sie trauen sich’s halt nicht, die Frauen von heute, tapsen nach wie vor in die Reproduktionsfalle, überlassen das Gewaltmonopol weiterhin den Männern, und am bittersten Ende stehen dann irgendwann Zustände wie in Südafrika, wo 55 Prozent aller Aidskranken Frauen sind. Solidarität tut also not, wenigstens einer von 365 Tagen zu Ehren der Frau. Ausgerechnet! Gilt doch Frausein gemeinhin bereits als abzuschaffender Zustand, zumindest mit Blick auf die überkommenen Insignien der Weiblichkeit, gefaßt etwa als Gebärfähigkeit, erhöhte kommunikative Kompetenz und Schlichtungsbereitschaft. Längst hat die postmoderne Identitätstheorie, die feministische zumal, das duale Mann-Frau-Raster als unhaltbares Konstrukt entlarvt: Was, außer bitterer historischer Vergangenheit und einem zu vernachlässigenden, außerdem chirurgisch wandelbaren körperlichen Attribut, ist das schon, "Frau"?

Nicht von einem Ehrentag sprechen mithin die bewußteren, die kritischen Frauen, statt dessen ist vom "international-solidarischen Kampftag" die Rede. Paßt das dann überhaupt, mit den Blumen, den Nelken? Warum das nicht als Klischee entlarven, abschaffen, ändern? Warum Blümchen und kein Messerchen, warum doch wieder das alte Stereotyp? Weiß frau überhaupt, was sie will?

Zum ersten Frauentag, der vor 90 Jahren auf Initiative Clara Zetkins und ihrer roten Schwestern begangen wurde, standen handfeste Forderungen im Raum: Wahlrecht, Arbeitsschutz, Mindestlöhne. Die 2. kommunistische Frauenkonferenz 1921 war es dann, die den Großkampftag auf den 8. März festlegte, strittig ist allein, ob sich das Datum an einen New Yorker Textilarbeiterinnen-Streik von 1857 oder an einen blutigen proletarischen Frauenaufstand 1908 am gleichen Ort anlehnt.

Sei’s drum, Ausbeutung und Unterdrückung sind immer noch Dauerbrenner der am 8. März geführten Frauenklage, dies alles jedoch global verstanden und subtiler gefaßt: Pfui Frauenhandel, pfui Beschneidung! Pfui Frauenarmut in der dritten Welt! Karriere per Teilzeit mit Kinderbetreuung! Freie Wahl der Abtreibungsmethode! Anerkennung weiblicher nicht-heterosexueller Lebensweisen! Immigrantinnenrechte!

Und wie beteiligt sich die gemeine deutsche Frau konkret am Festtag der proletarischen Frauenbewegung? Ein Thema ist es immerhin auch für Lies-chen Müller im Wartezimmer der Arztpraxis, die, nachdem sie von der Verschleierten neben sich abrückte, weil jene Knoblauch ausdünstete, mit Blick auf das Frauentag-Poster an der Wand bemerkt, daß es ja schon ein "Unding" sei, daß – "im 21. Jahrhundert!" – die Frau dem Mann nicht gleichgestellt sei, vom Verdienst her, zum Beispiel. Und noch immer keine Bundeskanzlerin! Lektion brav gelernt, etwas bleibt ja immer hängen. Außerdem: Wenn selbst brave Frauenzeitschriften zwischen Backrezepten und strategischen Aufräumtips die Scherzfrage nach der Bedeutung des Mannes im Salzsäurefaß ("ein gelöstes Problem") anbringen dürfen, scheinen 90 Jahre Frauentag das andere Geschlecht doch immerhin einen kleinen Schritt weitergebracht zu haben. Entspannteren Humor in der Wortwahl beweist auch die PDS, indem sie den "Druck der Frauenbewegung" nennt, den "Schröder nicht zu fürchten" brauche.

Und so alberten, feierten und kämpften sie halt, mit Blumen, Pressemitteilungen und Lichterketten, die Frauen, FrauenLesben, Hausmütterchen, KirchgängerInnen und all jene anderen, die sich zumindest anatomisch, dann aber auch in punkto Karrieremöglichkeiten, Verdienst, Armut/Reichtum, Gebär- und Erziehungszwang vom anderen Geschlecht unterscheiden. Unbekümmert schwankt frau zwischen Frauenstolz und Frauenbitterkeit, Klage und Triumph, will Karriere, aber nicht wirklich, ist gegen Ausbeutung und für die gesellschaftliche Anerkennung der Prostitution, fordert die Quote, ohne Quotenfrau sein zu wollen, ächtet Pornographie, verlangt aber richtig gute. Die Welt wird bunter dadurch, und wer wollte das nicht.

Wenn meine Mutter früher, geplagt durch Töchter, Berufstätigkeit, Haushalt und einen gänzlich unemanzipierten Mann, hin und wieder von einem indifferenten Gefühl aus Leere, Wirrnis und Trotz weder aus noch ein wußte, schloß sie sich mit Putzzeug und Zigaretten im Wohnzimmer ein, legte ihre Gitte-Platte auf, drehte die Lautstärke hoch und verbot sich das Mitsingen: "Ich will alles, ich will alles, und zwar sofort" – bis zum Abwinken. Irgendwann herrschte wieder Ruhe im Haus, die Wände bebten noch eine kurze Weile, die Wohnzimmertür ging auf, es duftete frühlingsfrisch und ein bißchen nach Zigarettenrauch, und der Alltag ging seinen Gang. Wenn’s denn hilft.


 
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