© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/01 23. März 2001

 
Streit um Nationalbewußtsein
Trittin zerreißt den Konsens
Dieter Stein

Man sollte dem grünen Bundesumweltminister Jürgen Trittin dankbar sein, daß er mit seiner verbalen Attacke gegen den CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer die schwüle Atmosphäre eines heuchlerischen "Konsens der Anständigen" durchbrochen hat. Völlig kindisch und geschmacklos ist es, wie CDU und FDP und Teile der SPD vor einem völlig konsternierten Publikum sich gegenseitig darin überbieten, den trotzigen Satz "Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein!" für das eigene politische Lager zu reklamieren.

Jürgen Trittin hat mit seinem Ausfall die Tradition kerniger Auseinandersetzungen aufgenommen, wie sie einst von Franz Josef Strauß und Herbert Wehner im Bundestag zu Bonn mit Genuß zelebriert wurde. Gegensätze zwischen Regierung und Opposition waren noch mit Händen zu greifen, wenn der SPD-Fraktionsvorsitzende und der bayerische Ministerpräsident gegeneinander antraten.

Immer wieder versuchen hingegen heute rot-grüne Regierungsparteien und die schwarz-gelbe Opposition grundlegende Konflikte über essentielle Fragen zu übertünchen, bei denen es um die Zukunft dieser Nation geht und im Kern um die Frage:

Ist Deutschland ein demokratischer Nationalstaat oder eine multikulturelle Gesellschaft?

Der Konflikt um die Grundsatzfrage aber bleibt: Wie wird sie beantwortet? Trittin steht für ein glasklares Konzept der Auslöschung des nationalen Charaktes dieses Staates – wie er nebenbei bemerkt nach wie vor durch das Grundgesetz definiert ist. Dieses Programm dokumentiert er in seinem Briefkopf in provokativer Weise: "Mitglied des Bundestages" ist dort zu lesen anstatt "Mitglied des Deutschen Bundestages", wie es korrekt heißen müßte.

Blamabler als Trittins Dreistigkeit ist die Zahnlosigkeit, mit der die Opposition auf das systematische Abräumen nationaler Positionen durch Rot-Grün reagiert hat. Gipfel war das irrwitzige Einreihen der CDU in die Propaganda-Aktion "Kampf gegen Rechts", die nicht politischen Extremismus, sondern die unionsgeführte Opposition im Visier hatte.

Seit Rot-Grün an der Macht ist, freundet man sich nun mit den dazugehörenden Insignien der Macht an. Plötzlich steht nicht mehr wie 16 Jahre zuvor Kohl für Deutschland, sondern Schröder und die Neue Mitte. Ein Patriot ist also, wer diese Führung klasse findet? Da entdeckt man gerne Patriotismus und ein klitzekleines Nationalgefühl, um die Wähler hinter schwarz-rot-goldenen Fahnen und Rot-Grün zu scharen.

So setzt in kafkaesker Weise das Gegacker über "nationalen Stolz" eine Aporie an das Ende der hanebüchenen "Kampagne gegen Rechts". Da balgen sich nun Armani-betuchte Kosmopoliten um einen Satz, der soeben noch als Erkennungsspruch der springer-stiefelbewehrten Neonazi-Szene galt.

Es ist einer der ältesten Propagandatricks, die Nation, das Gemeinwohl in Stellung gegen den politischen Gegner zu bringen, wenn man kein Pulver auf der Pfanne hat. Dies ist derzeit der Fall.


 
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