© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/01 30. März 2001

 
"Feigheit der Bürgerlichen"
Interview: Joachim Siegerist über die Kontenkündigungen, die Republikaner und die FPÖ
Dieter Stein

Wie die JUNGE FREIHEIT bereits berichtete, wurden dem Hamburger Verein "Die Deutschen Konservativen", deren Ehrenpräsident der CDU-Politiker Heinrich Lummer ist, durch die Hamburger Sparkasse aus politischen Gründen die Konten gekündigt. Derzeit führt der Verein flächendeckende Protestaktionen gegen die Filialen des Kreditinstitutes durch. Wir sprachen mit Joachim Siegerist, dem Vorsitzenden des Vereins, der schon häufig durch spektakuläre Kampagnen auf sich aufmerksam gemacht hat und der derzeit eine Broschüre von Heinrich Lummer ("Wer im Glashaus sitzt") bundesweit durch Zeitungsanzeigen verbreitet und damit über die umstrittene Vergangenheit rotgrüner Regierungspolitiker, darunter Joschka Fischer, Jürgen Trittin und Gerhard Schröder aufklären will.

Ihr Verband, "Die Deutschen Konservativen", demonstriert derzeit gegen eine Kontenkündigung durch die Hamburger Sparkasse. Wie läuft die Aktion?

Siegerist: Arme Hamburger Sparkasse! Hätte die gewußt, was sie sich da mit uns einhandelt. Vom Bäckermeister bis zum Botschafter a. D., von der Hausfrau bis zum General und Unternehmer. Wütende Proteste. Aber nicht anonym und billig, sondern mit vollem Namen und Adresse und besten Argumenten. Hunderte von Protestbriefen, Faxen und Anrufen. Und das seit Tagen.

Wie geht’s weiter?

Siegerist: Wir halten das am Kochen. Unsere Gegner sollen spüren, daß Konservative nicht feige den Schwanz einziehen und auf Tauchstation gehen, wenn sie sich mit uns anlegen. Die Gefahr für die Demokartie lag nie in der Frechheit der Linken, sondern in der Feigheit der Bürgerlichen. Als nächstes rollt auf die Hamburger Sparkasse eine Welle von Kontenkündigungen zu und dann Demonstrationen vor etlichen ihrer Filialen in Hamburg. Immer dann, wenn die meisten Kunden rein- und rausgehen. 1935 mußten auf Druck der Nazis jüdische Konten gekündigt werden. as hat doch erschreckende Ähnlichkeit mit heute. Wichtigster Punkt: Wir müssen und werden herausbekommen, von wem schwarze Listen erstellt werden, nach denen die Kreditinstitute bei den Kontenkündigungen vorgehen. Wir sind ja kein Einzelfall. Wir ziehen jetzt vor Gericht. Aber politisch haben wir die Schlacht längst gewonnen. Eine solche breite Solidarisierung gab es bislang noch nie in unserer Verbandsgeschichte.

Stimmt es, daß große Zeitungen Anzeigen von Ihnen aus "politischen Gründen" abgelehnt haben, wenn ja welche?

Siegerist: Stern und Spiegel natürlich sofort. Das ist kein Wunder. Leider hat auch der Focus abgelehnt, die Welt am Sonntag, selbst die Hörzu, bei der ich zu Lebzeiten Axel Springers Chefreporter war, die Süddeutsche und Burdas Bunte. Die FAZ hat unsere Anzeige mit der bekannten Lummer-Broschüre "Wer selbst im Glashaus sitzt" in einer 56 Seiten starken Ausgabe nur auf Seite 42 plaziert, eine Anzeige der PDS aber im prominenten Politik-Teil auf den ersten Seiten. Die Welt brach den Vertrag rechtswidrig über Nacht ab und bot uns Anzeigen nur noch im hinteren Teil an. Begründung: "Andere Anzeigenkunden haben uns mit Aufkündigung größerer Anzeigenaufträge gedroht, wenn wir die Lummer-Anzeige noch einmal so prominent plazieren."

Es waren doch bezahlte Anzeigen?

Siegerist: Bei unseren Anzeigen-Aufträgen für die Welt handelte es sich immerhin um die stattliche Summe von über 80.000 Mark. Der Welt geht es bekanntlich nicht sehr gut. Daran kann man sehen, wie groß der Druckj auf diese Zeitung wegen unserer Anzeige gewesen sein muß. Ach hier müssen wir herausbekommen, wer Druck ausgeübt hat und dann solche Demokratie-Feinde an den Pranger stellen.

Hat das Folgen?

Siegerist: Es gibt immer noch genügend "Ausweich-Objekte" bei Zeitungen und Illustrierten, bei denen unsere Anzeigen gedruckt werden. Zu stoppen sind wir nicht mehr.

Die österreichische Zeitschrift "News" behauptet, Sie wollten sich – auch finanziell – bei einer Kandidatur eines FPÖ-Ablegers in Deutschland bei der nächsten Europa-Wahl beteiligen. Ist das richtig?

Siegerist: Wird Frau Merkel Kanzlerkandidatin der CDU, werde ich alles unternehmen, daß die "deutsche Rechte" zur Europawahl in Einigkeit antritt. Wird Stoiber Kanzlerkanddat oder der hessische CDU-Chef Koch, ist die Lage anders. Es hängt auch vieles davon ab, wie sich die FPÖ selber in den nächsten Jahren in Österreich schlagen wird.

Worum geht es bei der EU-Wahl?

Siegerist: Es gibt nach dem neuen Europawahl-Gesetzen die Möglichkeit von landesübergreifenden Listen, und der Name von Jörg Haider ist dann auch in Deutschland wählbar. Auf dieser möglichen Liste stehen dann auch sehr prominente deutsche Namen. Es gibt viele großartige Nachfahren mit den Namen Adenauer und von Bismarck.

Sie werden sich engagieren?

Siegerist: Bei einer solchen "Traum-Konstellation" – die ich jetzt nur phantasiert habe – würden wir unsere Finanzkraft in die Waagschale werfen. Und was Jörg Haider betrifft: Kanzler in Österreich wird er nie, das kleine Kärnten mit seinen rund 650.000 Einwohnern wird ihm von Tag zu Tag enger. Da bleibt doch nur Europa.

Wie bewerten Sie die Wahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg? Worauf führen Sie den Absturz der Republikaner zurück?

Siegerist: Auf die starke Polarisierung in der letzten Phase des Wahlkampfes. Stichwort Trittin. Aber wollen wir uns nichts vormachen: das ist nur ein Teil der Wahrheit. Die Zeit der Republikaner war schon seit Jahren abgelaufen. Das kann man bedauern oder nicht. Aber es ist so.

Was würden Sie Rolf Schlierer raten?

Siegerist: Urlaub machen und ein wenig das Leben genießen. Für eine Weile kann es ohne Politik sehr viel schöner sein. Eine Denkpause und dann ran an die Europawahlen mit neuen Formationen.

 

Joachim Siegerist (54), langjähriger Springer-Journalist, organisierte Anfang der achtziger Jahre Wahlkämpfe für zahlreiche CDU-Spitzen-Politiker, gründete mit Gerhard Löwenthal 1981 die "Konservative Aktion", aus der sein heutiger Verband hervorging.

Kontakt: Die Deutschen Konservativen e.V., Postfach 76 03 09, 22053 Hamburg.

 

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