© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/01 06. April 2001

 
BLICK NACH OSTEN
Globale Gleichschaltung
Carl Gustaf Ströhm

Als ich einen weltläufigen Kroaten dieser Tage darauf ansprach, was er von der Milosevic-Verhaftung halte, erhielt ich eine interessante Antwort. Als nationalbewußter Kroate und Katholik, so sagte mein Gesprächspartner, wisse er, daß Slobodan Milosevic den Kroaten unermeßliches Leid zugefügt habe und daß er ein "Sozio-Faschist" sei. Insofern begrüße er die Verhaftung.

Andererseits erscheine ihm die Verhaftung als totaler Triumph jener globalistischen Kräfte, die alle Völker und Regionen gleichschalten wollten und nichts übrig hätten für gewachsene Identitäten, etwa für die Nationen – vor allem die kleineren. Milosevic habe sich, wenn auch mit untauglichen und gar verbrecherischen Mitteln, diesen Kräften der "Globalgleichschaltung" widersetzt. Wahrscheinlich sei er auch weniger wegen seiner Kriegsverbrechen als vielmehr wegen seiner Erfolglosigkeit von seinen Landsleuten eingesperrt worden. Im übrigen würden jetzt die Serben von Amerika mit einigen hundert Millionen Dollar Hilfsgeldern belohnt, während Kroatien leer ausgehe. Serbien, so meinte der Kroate, gelte im Westen noch immer als schonenswert, weil es einen Eckpfeiler bei der Verhinderung eines geeinten Mitteleuropa auf der Linie Berlin–Wien–Zagreb–Budapest bilde: "Daher der Eifer, mit dem der Westen uns Kroaten, die wir Mitteleuropäer sind, in den Balkan zurückdrücken möchte."

Fast gleichzeitig mit der Milosevic-Verhaftung wurde ein Aktionsplan der "Internationalen Krisengruppe" (ICG) bekannt, durch den die aufmüpfigen Kroaten in Bosnien-Herzegowina zur Räson gebracht werden sollen. Der Plan sieht zunächst vor, der kroatischen Mehrheitspartei HDZ, die achtzig Prozent der kroatischen Wähler in Bosnien auf sich vereinigt, den Geldhahn abzudrehen – zum Beispiel Überweisungen von Auslandskonten zu vereiteln. Zu diesem Zweck sollte die "Herzegowina-Bank" in Mostar von SFOR-Truppen besetzt und unter militärisch-polizeilichen Schutz eine peinlich genaue Überprüfung aller Konten vorgenommen werden.

Zum anderen solle die Zagreber Regierung genötigt werden, jegliche Solidarisierung der Republik Kroatien mit den "separatistischen" Landsleuten in der Herzegowina zu verhindern. Das Fernsehen der moslemisch-kroatischen Förderation solle so umstrukturiert werden, daß in Zukunft nur noch "liberale" Kroaten zum Zuge kommen. Außerdem solle mißliebigen Kroaten aus der Herzegowina der Reisepaß entzogen und die Grenzkontrolle an der bosnisch-kroatischen Grenze verschärft werden. Dort, wo die (kroatischen) Grenzbeamten Bosniens die Regierung der Förderation in Sarajevo nicht akzeptieren wollen, sollen Polizisten und Zöllner durch den hohen Repräsentanten der EU ihres Dienstes enthoben werden.

Um zwischen die kroatische Bevölkerung und ihre lokalen Behörden und Politiker einen Keil zu treiben, soll die von der HDZ proklamierte "kroatische Selbstverwaltung" umgangen werden, indem etwa die Ausstellung von behördlichen Papieren, Ausweisen, Kfz-Zulassungen usw. von der lokalen Ebene in die Zentrale nach Sarajevo verlagert wird. So sollen die Herzegowina-Kroaten buchstäblich ausgetrocknet werden.

So leicht wird das allerdings nicht gehen. Inzwischen haben Tausende von Soldaten kroatischer Nationalität die bosnische Armee verlassen und sich der kroatischen Selbstverwaltung zur Verfügung gestellt. Die Kroaten der Herzegowina – ein harter Menschenschlag – sind, wie einer ihrer Sprecher sagte, notfalls bereit, "Gras zu essen", um der westlichen "Erziehungsdiktatur" zu widerstehen.


 
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