© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/01 06. April 2001

 
Bayreuther Warteschleife
Stiftungsrat designierte Eva Wagner-Pasquier zur Nachfolgerin ihres Vaters
Hans-Jörg von Jena

Wiche, Wolfgang, wiche!" So grollte als kollektive Erda zwei Jahre lang der Stiftungsrat, der die Bayreuther Festspiele juristisch trägt. Der regierende Wagner-Enkel ließ sich nicht irremachen. Nur dann wollte er gehen, wenn er damit seiner zweiten Frau Gudrun (und damit, in der Perspektive, seiner späten Tochter Katharina, vorerst noch Studentin), die Nachfolge sichern könnte.

Doch die Wahl fiel auf Eva Wagner-Pasquier. Eine Entscheidung, die Wolfgang Wagner am wenigsten gefallen kann. Mit seiner Tochter aus erster Ehe hat er sich dauerhaft überworfen. Das könnte gleichgültig lassen, hätte der Amtsinhaber nicht einen Vertrag auf Lebenszeit. Nun wird er wohl tun, was er ohnehin vorhatte: solange die Kräfte reichen, weiter das Zepter auf dem Grünen Hügel führen. Ist das eine so schlechte Aussicht? Gewiß gibt es Verhärtungen und Verkrustungen auf dem Hügel wie überall bei lang andauernden Herrschaftsverhältnissen, in Familienbetrieben wie in der Politik (Bayreuth hat an beiden teil). Aber bislang hat niemand dem Patriarchen vorwerfen können, er erfülle seine Intendantenpflichten nicht. Gegenwärtig inszeniert er Großvaters "Rheingold" in Korea und führt Verhandlungen über den nächsten "Ring" 2006.

Doch falls der 81jährige resignierte und die ungeliebte Tochter Einzug hielte auf dem Grünen Hügel: Würde sich viel ändern? Ändern können? Bayreuth ist seit Jahrzehnten ausgereizt. Hochrangige Künstler (Orchester, Chor, Sängerinnen und Sänger) sind nur für wenige Sommerwochen frei. Und der Spielplan? Wagners Frühwerke oder Opern aus fremder Feder sind kaum als Randerscheinungen denkbar. Die Festspiele stehen und fallen mit der Zuversicht, daß die zehn sanktionierten Wagner-Werke die immer neue Auseinandersetzung lohnen.

Was Eva Wagner-Pasquier überhaupt will, hat sie der Öffentlichkeit noch nicht verraten. Wie lange sie wird warten müssen, weiß niemand. Eines steht fest: Sie inszeniert nicht selbt. Nach ihrer Großmutter, der Hitler-Freundin Winifred, soll erstmals wieder eine Nicht-Künstlerin Bayreuth leiten. So kann sie bestenfalls als tüchtige und phantasievolle Intendantin in Vaters Fußstapfen treten. Wenig wäre das nicht.


 
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