© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/01 13. April 2001


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Erfolgsorientierung
Karl Heinzen

Die Berliner Canto Software AG hat zwei vor einem halben Jahr angeworbenen Computer-Indern – einer stammt aus der Ukraine und einer von der Elfenbeinküste – noch in der Probezeit gekündigt. "Wir befinden uns in einer Phase der Umstrukturierung", ließ die Unternehmenssprecherin als Motiv für die unpopuläre Maßnahme durchblicken. Es ist beruhigend, daß das konkurrenzwirtschaftliche Traditionswissen um die richtige Ausrede im richtigen Moment auch von jungen Firmen der New Economy nicht über Bord geworfen wird.

Wie es für eine Marktwirtschaft kennzeichnend ist, leistet der betriebliche Egoismus, der den Entlassungen zugrunde liegt, natürlich seinen Beitrag zum Wohl der Allgemeinheit: Green-Card-Inhaber mögen sich zwar dank der Aufmerksamkeit, die ihnen gezollt wird, privilegiert fühlen – im unternehmerischen Alltag sind sie es aber genausowenig wie jeder andere, eingeborene Mitarbeiter auch. Es liegt in ihrem eigenen Interesse, wenn ihnen diese Lektion frühzeitig erteilt wird, zumal sie durch die öffentliche Diskussion dazu verleitet sein könnten, ihre ökonomische Bedeutung zu überschätzen.

In ihrem Bestreben, dem deutschen Volksgesicht Züge zu verleihen, die eine weitere Verwechslung mit der nationalsozialistischen Fratze unmöglich machen, haben sich Politik und Medien die Chance nicht entgehen lassen wollen, den in Deutschland frei werdenden Raum auch einmal mit Menschen zu füllen, die nicht bloß aufgrund er- greifender Flüchtlingsschicksale unser aller Solidarität verdienen, das heißt willig und willkommen sind, es sich im Parterre unserer Einkommenspyramide einzurichten. Die Green-Card-Kampagne zielt aus der Warte des Staates auf all jene, die aufgrund ihres sozialen Niveaus und ihrer Ausbildung die zentralen Voraussetzungen zu einer Eindeutschung bereits mitbringen. Insofern darf die Arbeitserlaubnis nur als eine Anwärterschaft auf die Einbürgerung verstanden werden. Die Wirtschaft jedoch muß sich selbst solchen nationalen Anwandlungen, so sehr sie auch das Weite vor jenen der Vergangenheit suchen, verschließen. Sie darf es nicht zulassen, wenn sie der Staat als ihr Befehlsempfänger für Werte in die Pflicht nehmen will, die ihm noch dazu von ihr aufgetragen wurden.

Hier geht es nicht zuletzt aber auch um etwas so Grundsätzliches wie den Erfolg. In einer Weltökonomie, die so viele am Boden liegende und daher um Investitionen bettelnde Staaten kennt, gibt es immer genügend Alternativen zu Beschäftigungsverhältnissen ausgerechnet in Deutschland, für die der Produktionsfaktor Arbeit dann auch noch eigens importiert werden muß. Eine tolerante, weltoffene und mobile Ge- sellschaft ist kein Selbstzweck. Sie muß sich für jene, die in sie investieren, auch rechnen. Im Wort steht jedoch die Politik. Anders als den einheimischen Arbeitsuchenden hat sie den Green-Card-Immigranten Beschäftigungschancen suggeriert. Wenigstens ihnen gegenüber muß sie sich nun verantwortlich zeigen.


 
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