© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/01 13. April 2001

 
Strahlungen des Heiligen
Gentechnik: Die Suche nach einvernehmlicher Grenzziehung
Baldur Springmann

Von dem Spott, der in der JUNGEN FREIHEIT (4/01) unter dem Titel "Abschied von der Metaphysik" über "ideologische Hirngespinste" von Metaphysikern ausgegossen wird, fühlte ich mich, wenn auch namentlich als ein solcher erwähnt, nicht getroffen. Denn nicht nur "nach Auffassung aller Metaphysiker" ist das, was eine Lilienblüte mit einem Menscheneinzeller im Genlabor und BSE-Prionen im Rinderhirn gemeinsam hat, eine "Ausstrahlung", sondern genau diese Tatsache ist das Ergebnis der Forschung fortschrittlicher Physiker. Insbesondere ist hier Professor Fritz-Albert Popp zu nennen. Der war allerdings bei den noch im veralteten mechanistischen Paradigma verhafteten "Wissenschaftlern" als "Spinner" verschrieen, so wie das "Metaphysische" bei den "Realisten".

Heute ist Popp der europaweit anerkannte führende Kopf der von ihm im Westen inaugurierten Biophotonenforschung, die schon Jahrzehnte zuvor Gegenstand sowjetischer Forscher gewesen war. Mit seinen Mitarbeitern baute er 1980/82 in Flörsheim bei Worms und bis 1985 am Lehrstuhl für Zellbiologie in Kaiserslautern, dann in der eigenen Firma hochempfindliche Meßgeräte, mit denen er schließlich das vermutete "Licht in allen lebendigen Zellen" eben an der von demselben verursachten Ausstrahlung exakt nachweisen konnte.

Diese in signifikanter und wiederholbarer Versuchsanordnung als existent erwiesene Ausstrahlung ist also tatsächlich Lilienblüten und jenen einem Fötus entnommenen und im Genlabor irgendwie manipulierten Zellen gemeinsam. Der Ursache dieser Ausstrahlung, der Lichterscheinung im Inneren der Zelle hat Professor Popp den sinnvollen Namen "Biophotonen" gegeben – wörtlich verdeutscht "Lebenslichtkörperchen". Denn es ist tatsächlich so, daß während des Sterbevorgangs, wenn das heilige Gottesgeheimnis "Leben" eine Zelle verläßt, zunächst das ebenso heilige Geheimnis "Licht" besonders intensiv ausstrahlt, bevor auch es die Zelle endgültig verläßt.

Mancher Leser mag hier gestutzt haben, weil ich durch das Adjektiv "heilig" Licht und Leben in dieselbe Kategorie, die des Unwägbaren und Unmeßbaren, also des Metaphysischen einordne. Für Leben stimmt das ja offensichtlich, denn noch hat kein Biologe trotz dieses anspruchsvollen Titels je etwas über den Sinn (logos) des Lebens (bios) aussagen können noch irgendwelche Maße oder Gewichte dieser metaphysischen Realität nennen können. Aber "Licht"? Zunächst kann ich mich da auf den Vorläufer des erst heutzutage sogenannten "holistischen Paradigmas", also einer ganzheitlichen Weltschau, Johann Wolfgang Goethe, berufen, der viel mit Licht experimentiert hat und zu der Aussage gelangte, das eigentliche Etwas des Lichtes sei etwas Übersinnliches, und was wir wahrnehmen können, seien nur die "Taten und Leiden". Nolens volens stimmt dem die klassische Physik zu, da die von ihr beschriebenen Erscheinungsformen des Lichts, mal als "Welle", mal als "Korpuskel", den Gedanken an ein beides verursachendes Drittes nahelegen.

Daß der Bereich des Metaphysischen, dem ja nicht nur Licht und Leben angehören, nun heute von sogenannten Realisten zum Phantasieprodukt von Spinnern erklärt wird, ist das Ergebnis der seit etwa 500 Jahren immer einseitigeren Zuwendung unserer Naturwissenschaft zum Bereich der Materie, deren Aufbau die Griechen als chemos, das heißt verborgen, geheimnisvoll bezeichneten, weil ihr Interesse und dementsprechend auch ihr Wissen mehr dem Metaphysischen galt. Solches Wissen verlor sich aber in dem Maße, wie das Erforschen der chemisch-physikalischen Zusammenhänge der Materie immer erstaunlichere Ergebnisse zeitigte. Und mit dem Wissen verlor sich auch die Wertschätzung des Metaphysischen. Dies zeigt sich im Überschnappen einer hinsichtlich erstarrter Kirchendogmen durchaus notwendigen Aufklärung in einer Vertreibung alles geistigen und alles Göttlichen aus der Natur und aus den Menschenherzen, bis hin zur Forderung eines Abschieds von der Metaphysik.

Muß das aber so sein? Könnten wir nicht endlich das Pendeln zwischen extremen Einseitigkeiten, wie wir es auch in der Politik schmerzlich mitansehen müssen, hinter uns lassen und zu einem zeitgemäßen Sowohl-als-auch finden, zu einer Vereinigung von sowohl Erdverbundenheit und sinnvollem Umgang mit der Materie als auch ehrfürchtiger Hinwendung zum Geistigen, Göttlichen?

Genau das hat beispielsweise als Physiker der von den Schulwissenschaftlern belächelte oder auch angefeindete Fritjof Capra besonders in seinem Hauptwerk "Der kosmische Reigen – Das Tao der Physik" wissenschaftlich zu begründen versucht. Und im ähnlichen Sinne hat Marco Bischof sich mit der angesichts neuester und richtig interpretierter älterer Forschungsergebnisse immer mehr verschwimmenden Grenze zwischen Physik und Metaphysik beschäftigt, und zwar in seinem Buch mit dem Titel "Biophotonen – Das Licht in unseren Zellen", zu dessen 38 Kapiteln solche wie über "mitogenetische Strahlung", "Bioinformatik elektromagnetischer Wechselwirkungen", aber auch solche wie "Das Biophotonenfeld – Mittler zwischen Körper und Seele?" gehören.

Bischof schreibt der von ihm ausführlich dargestellten Forschung von Popp diese Qualität zu: "Sie hat das Zeug in sich, zu einem neuen Paradigma der Wissenschaft zu werden." Die Tragweite solch eines neuen Konzepts erörtert er so: "Die neuen Perspektiven, die durch diese Art von Biophysik eröffnet werden, machen, wie immer in der Wissenschaft, nicht nur neue positive Möglichkeiten zugänglich, auf die sich dieses Buch konzentriert, sondern auch Möglichkeiten des Mißbrauchs".

Sodann schreibt er zu der Frage, welche Philosophie sich durchsetzen werde: "Wieder stellen wir einen Antagonismus zwischen zwei gegensätzlichen Philosophien – dem Vitalismus und dem Mechanismus – fest, wie er die Wissenschaftsgeschichte seit ihrem Anfang geprägt hat. Während der Glaube, daß die von Menschen geschaffene Technologie selbstverständlich immer besser sei als alles, was die Natur leisten kann, und daß deshalb die ’mangelhafte‘ Natur verbessert werden müsse, dazu führen könnte, daß eine Akzeptierung der Erkenntnisse der Biophotonenforschung nur um den Preis einer Unterordnung unter die Zwecke des ’Maschinendenkens‘ zugelassen wird, will die im Ansatz Popps angelegte Philosophie, daß die überlegene Weisheit der Natur, deren Leistungen wir weder je ganz zu entschlüsseln noch zu beherrschen hoffen können, staunend und respektvoll anerkannt wird. Wenn dieses Buch zu diesem Staunen und zu diesem Respekt etwas beitragen und aufzeigen kann, was wir von den Erkenntnissen der Biophotonenforschung über das Leben lernen können, so hat es seinen Zweck erfüllt."

Wenn dieser Beitrag in der JF einen ähnlichen Effekt hat, braucht über das Klonen nur soviel gesagt werden, daß wir klare Grenzen dort zu ziehen haben, wo dieser Respekt mißachtet würde oder wo die Lehren aus all den vielen mißglückten Experimenten nicht beherzigt werden. Beispielsweise diese Chimärenkonstruktion eines "Quallenäffchens", wo das einzige von 224 Ansätzen zur Funktion gebrachte Konstrukt den Zweck der ganzen Aktion nicht erfüllt und also nicht grün fluoresziert. Und warum? Weil die Manipulatoren überhaupt noch keine Ahnung haben von den wahrscheinlich abertausenden Synergien der abertausend Gene eines Genoms noch von der Art der Umsetzung des Codes in Eiweißstrukturen. Und diese Stümper propagieren ihre Wunderniere, und naive Journalisten heizen diese ach so humanitäre Illusion auf, damit möglichst viel Geld und möglichst wenig Begrenzung für diese gewinnträchtige Sparte herauskommt.

Von dieser Seite war noch nie ein Sterbenswörtchen darüber zu hören, daß es die unerbittliche Strenge der Abgrenzung der Arten und der Zurückweisung artfremden Eiweißes ist, mit der die Weisheit der Natur jene wunderbare Vielfalt der Lebewesen auf unserer Erde ermöglicht.

Bleibt die Frage, auf welcher Seite "Ewig-Gestriges" und starre Ideologie ist und wo Realitätssinn und Fortschrittlichkeit! Welche Bezeichnung trifft zu für die nach wie vor dem Technologiefortschrittsglauben des 19. and 20. Jahrhunderts verhafteten "Realos" und die Nutznießer der monolitisch auf Gewinnmaximierung festgelegten "Bioökonomie"? Und was trifft zu für die eine überlegene Weisheit der Natur anerkennenden und an dem entstehenden holistischen Paradigma mitwirkenden "Spinner"? Und schließlich: Ist es sehr spinnert, von einer "inneren Gewißheit" zu reden, daß, wie ein Phönix aus der Asche, aus unserer derzeitigen Barbarei sich eine neue Kulturepoche erheben wird, die man wegen der physikalisch-astronomischen Gesetzmäßigkeit, mit der zur Zeit der Sonnenaufgangspunkt der Frühlingstagundnachtgleiche in den seit alters "Wassermann" genannten Sektor des Zodiakus eintritt, sehr wohl das Wassermannzeitalter nennen kann?

Vor allem wegen des wunderschönen Siegels, welches irgendwelchen Menschen irgendwann für diese zukünftige Epoche eingefallen ist, in deren Morgendämmerung wir uns bereits befinden: Die beiden Wellenlinien als Symbol des Kosmos, als genau die Aussage unserer heutigen Physiker, daß letztlich auch die härteste Materie aus Schwingung bestehe.

Zwei Wellenlinien aber auch als Hinweis darauf, daß es, wenigstens aus menschlicher Sicht, zwei Dimensionen dieser Schwingungen gibt: die von uns sinnlich wahrnehmbaren und die wegen der nun einmal gottgewollten Begrenzung unserer Sinne aus nicht mehr sinnlich, sondern nur noch geistig zugänglichen Bereiche, eben das Übersinnliche, das Metaphysische. Dabei steht die Parallelität der beiden Wellenlinien, das damit angedeutete Miteinanderschwingen zweier nicht in ein "böses Diesseits und herrliches Jenseits" zu trennenden Bereiche, für das überall gegenseitige Durchdrungensein von Physischem und Metaphysischem.


 
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