© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/01 20. April 2001

 
Zweifel am Erfolg der Ansiedlung
Kritische Töne auf der neunten Jahreshauptversammlung des Schulvereins für die Rußlanddeutschen in Ostpreußen
Götz Eberbach / Moritz Schwarz

Der "Schulverein zur Förderung der Rußlanddeutschen in Ostpreußen e.V." kam am vorvergangenen Wochenende im fränkischen Schloß Weißenstein bei Bamberg zu seiner neunten Jahreshauptversammlung zusammen.

Der Zusammenbruch der Sowjetunion hat Ostpreußen wieder zu einem Land mit Zukunft gemacht. Erstaunlich nur, daß niemand in Politik und Öffentlichkeit der Bundesrepublik Deutschland die Kreativität findet, sich an der Gestaltung dieser Zukunft zu beteiligen.

Eine Ausnahme macht der Kieler Verleger Dietmar Munier, auf dessen Initiative hin in der ostpreußischen Gemeinde Trakehnen nach der Wende in Osteuropa zwei Siedlungen für Rußlanddeutsche entstanden sind. Muniers Einfall: den von Stalin 1941 zerschlagenen und aus der Wolgarepublik deportierten Rußlanddeutschen eine neue Heimat innerhalb des russischen Staatsverbandes zu geben, anstatt durch die "Heim ins Reich"-Politik der bundesdeutschen Regierungen die Geschichte dieser deutschen Volksgruppe zu beenden und so ihre Kultur zu zerstören.

Um aus der Ansiedlung auch eine funktionierende Gemeinde zu machen, gründeten engagierte Bürger 1992 den "Schulverein", um in Zusammenarbeit mit der staatlichen russischen Schule in Trakehnen eine "Deutsche Schule" aufzubauen. Damit könnte der ehemals östlichsten Provinz des Reiches nach einer Periode der Stagnation als "militärisches Sperrgebiet Kaliningrad" eine gedeihliche deutsch-russische Zukunft in Rückbesinnung auf die europäische Mythenlandschaft Ostpreußen beschieden sein.

Wie jedes Jahr begleitete auch diesmal ein wissenschaftliches und kulturelles Rahmenprogramm das Treffen. So referierte der Moskauer Professor für Russisches und Euröpäisches Recht und Putin-Biograph Wolfgang Seiffert über "Rußland unter Putin" und erregte einigen Anstoß mit seiner Bemerkung, die Ansiedlung der Rußlanddeutschen lasse sich nicht verwirklichen.

Der Wiener Historiker Heinz Magenheimer, Professor an der österreichischen Landesverteidigungsakademie, der ehemalige russische Geheimdienstmitarbeiter und Autor Viktor Suworow sowie die Militärhistoriker Walter Post und Hartmut Schustereit referierten und diskutierten das Haupthema des diesjährigen Treffens, die zur Zeit viel debattierte "Präventivschlagsthese", also die Frage, ob Hitlers Angriff auf die Sowjetunion im Sommer 1941 einem Angriff Stalins zuvor gekommen sei. Dies wurde von allen Teilnehmern, wenn auch mit unterschiedlicher Akzentsetzung, bejaht.

Ein Vortrag des Stuttgarter Professors für Politikwissenschaft Klaus Hornung zum Thema "Das Erbe Preußens" beendete im Preußenjahr den Vortragsreigen.

Die Arbeit in Trakehnen selbst kam allerdings im wesentlichen nur bei den Vereinsformalia und der Kurzvorstellung der Lehrer der "Deutschen Schule" zur Sprache. Auch Diskussion zum Thema fand kaum statt. Dafür bot eine Mädchengruppe aus Trakehnen unter der Leitung ihrer jungen russischen Musiklehrerin ostpreußische Volkslieder und ein Märchen-Spiel dar.

Erfreulich, daß nun auch einheimische Lehrkräfte neben denen aus der Bundesrepublik und Österreich, die meist nur "auf Zeit" kommen, an der "Deutschen Schule" lehren. Sogar ein englischer Lehrer ist hier inzwischen tätig – der seine Arbeit, nach eigener Aussage, als "persönliche Wiedergutmachung" am deutschen Volk betrachtet. Die "Deutsche Schule" bietet neben der staatlichen russischen Schule, mit der sie kooperiert, Deutschunterricht für Interessierte jeden Alters und jeder Nationalität an. Dazu Musik, Singen, Laienspiel, Handarbeit und Computerkurse. Daneben ist der Schulverein und die mit ihm verbundene "Gesellschaft für Siedlungsförderung in Trakehnen" der zweitgrößte Arbeitgeber am Ort.

 

Informationen: Schulverein zur Förderung der Rußlanddeutschen in Ostpreußen e.V., Postfach 40 28, 24039 Kiel.


 
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