© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/01 27. April 2001


Totale Öffnung
von Philip Plickert

Wird es mit der EU-Erweiterung eine massive Zuwanderungswelle aus Osteuropa geben? Zwei Forschungsinstitute, das Münchner Ifo-Institut und das Bonner IZA, prognostizieren zwischen vier und sechs Millionen Arbeitsmigranten innerhalb eines Jahrzehnts. Davon werden wie in der Vergangenheit etwa zwei Drittel in Deutschland und Österreich landen. Gebietsweise könne die Abwanderung Ausmaße einer "Völkerwanderung" annehmen, warnen die Experten. Die Kommission streitet dies ab. Bundeskanzler Schröder beschwichtigt und möchte das Schlimmste verhindern. Hinter den Kulissen bastelt er an Übergangsfristen von bis zu sieben Jahren für die Öffnung der Arbeitsmärkte.

Andere Wirtschaftsinstitute wie das DIW befürworten dagegen eine sofortige und totale Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes. Qualifizierte Arbeitskräfte würden sonst ausgesperrt und in die USA abwandern, argumentieren sie. Hinter diesen Gedanken steht eine rein ökonomische Sicht vom Menschen als "Faktor Arbeit", den es optimal auszunutzen gelte. Ihn kann man beliebig hin und her schieben. Wenn auch einzelne Landstriche im Grenzgebiet unter dem Ansturm der Billigarbeiter kollabieren, per Saldo ergebe sich ein Überschuß. Die Rechnung wird nicht aufgehen, denn langfristig überschreiten die Kosten zur Regulierung wachsender Konflikte im zunehmend multi-ethnischen Deutschland kurzfristige Gewinne bei weitem. Deshalb haben Schröders Übergangsfristen – die auch sein Wiener Amtskollege Schüssel will –nicht nur psychologischen Wert, sondern eine ganz reale Schutzwirkung.


 
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