© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/01 27. April 2001


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Wortgewaltiger
Karl Heinzen

"Herr Minister, haben Sie einen Knall?" fragt die "Bild"-Zeitung und meint damit einen Mann, der den Namen Werner Müller (parteilos) trägt und, wie jetzt nicht zuletzt durch diese neuerliche Kampagne aus dem Hause Springer bekannt wurde, offenbar seit 1998 der Regierung Schröder angehört. Wer diesen heimlichen Emporkömmling mit dem Charisma eines Dienstboten schon einmal zufälligerweise in den Nachrichten inmitten einer Kabinettssitzung sah und glaubte, er müßte dort wohl für die Getränke zuständig sein, hat sich also geirrt. Werner Müller (parteilos) verantwortet ein Ministerium, dessen Zuständigkeit für Wirtschaft behauptet wird, obwohl es für diese allenfalls weniger als nichts bewirken kann – ein typischer Versorgungsposten, der daher auch bloß mit dem Gehalt eines in Ehren aufs Altenteil abgeschobenen Angehörigen des mittleren Managements dotiert ist und von seinem Amtsinhaber allein verlangt, daß er viel plaudert, ohne eigentlich etwas zu sagen zu haben. Über genau diese Gabe verfügt Werner Müller (parteilos) jedoch gleichfalls leider nicht, und dafür wird er nun auf grausame Weise abgestraft.

Was ist vorgefallen? Die Mineralölkonzerne sind, ohne daß sie sich darüber eigens hätten verständigen müssen, auf die Idee gekommen, ihre außerordentlich guten Ergebnisse im zurückliegenden Krisenjahr zum Anlaß zu nehmen, eine weitere Ertragsverbesserung anzustreben – anderes ist ihnen, wenn sie sich nicht in Widerspruch zu ihren eigenen Existenzbedingungen setzen wollen, sowieso schlechterdings verwehrt. Zu diesem Erfolg soll der Konsument durch seine Akzeptanz erhöhter Kraftstoffpreise einen Beitrag leisten. Im Einzelfall, vielleicht sogar in jedem Einzelfall mag dies zwar individuell bedauerlich sein, gleichwohl ist es unvermeidlich und angemessen: Man darf in einer freien Wirtschaft nicht immer nur darüber schwadronieren, daß der Egoismus der Marktteilnehmer letztlich das Wohl der Allgemeinheit fördert, man muß ihn dann, wenn es pekuniär interessant wird, auch einmal ohne Meckern zum Zuge kommen lassen.

Niemand hätte es nun Werner Müller (parteilos) übelgenommen, wenn ihm zu dieser leidigen Angelegenheit nichts eingefallen wäre. Statt dessen meinte er aber, die Autofahrer daran erinnern zu dürfen, daß sie, ganz so, wie die Konsumentensouveränität es vorsieht, durch eigenes Nachfrageverhalten theoretisch viel mehr bewirken können als die Politik. Warum sollte es dieser Regierung schließlich nicht auch möglich sein, die lang ersehnte Preiselastizität der Kraftstoffnachfrage einfach herbeizureden? Es müßten schließlich nur alle umdenken! Werner Müller (parteilos) irrt allerdings, wenn er meint, daß der Staat gar keinen Einfluß auf die Preise an den Zapfsäulen habe, fließen doch angeblich gut zwei Drittel der dortigen Erlöse qua Mineralöl- und Mehrwertsteuer an die öffentliche Hand. Seine Wissenslücke ist aber verzeihlich: Steuern ressortieren nicht bei ihm.


 
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