© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/01 27. April 2001

 
Gutscheine für Drückeberger
CDU: "Auf dem Weg zu neuer Solidarität" / Konzept fehlt es an Norbert Blüms sozialer Wärme
Jörg Fischer

Kürzlich wählte Bundeskanzler Gerhard Schröder die Bild-Zeitung, um dem deutschen Wahlvolk kundzutun, daß es "kein Recht auf Faulheit" gebe. Konkretes ließ der SPD-Vorsitzende aber nicht verlauten. Der Unions-Fraktionschef im Bundestag, Friedrich Merz, und der CDU-Sozialexperte Karl Josef Laumann wählten letzten Dienstag in Berlin eine ihrer normalerweise eher langweiligen Pressekonferenzen, um ihr neues Sozialkonzept "Auf dem Weg zu neuer Solidarität" vorzustellen.

Darin fordern sie, den Druck auf Arbeitslose durch radikale Kürzungen von Sozial- und Arbeitslosenhilfe zu verschärfen: "Sozialhilfeempfänger und Empfänger von Arbeitslosenhilfe erhalten beide aus Steuermitteln Transferleistungen, weil sie keine Arbeit haben." Von beiden könne erwartet werden, daß sie "eine Eigenleistung erbringen, um aus dem Hilfebezug" herauszukommen. "Drückeberger" sollen im Extremfall nur noch Lebensmittelgutscheine und Sachleistungen für das Allernotwendigste erhalten, erklärten die CDU-Politiker der Presse. Arbeitsverweigerer haben "nur Anspruch auf das absolute Existenzminimum".

Es sei genug Arbeit da "für die, die arbeiten können und wollen", denn "nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeit gab es im März 2001 in ganz Deutschland rund 1,6 Millionen offene Stellen. Hiervon sei jede zweite Stelle für Nicht-Facharbeiter oder einfache Angestellte geeignet." Außerdem, so heißt es im CDU-Papier, wurden im Jahr 2000 "fast 1,1 Millionen Arbeitserlaubnisse für ausländische Arbeitnehmer erteilt, von denen die Mehrzahl deshalb erteilt wurde, weil sich kein deutscher Arbeitnehmer für die jeweilige Beschäftigung fand." Das Leistungsniveau von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe soll nach Unionsmeinung schrittweise angeglichen werden.

Doch das Unionskonzept geht noch weiter: Das "Regel-/Ausnahmeverhältnis der derzeitigen Sozialhilfe" soll umgekehrt werden. Das Sozialamt muß dann nicht mehr die Zahlungen kürzen, "wenn eine zumutbare Arbeit verweigert wird", sondern der Sozialhilfeempfänger hat "von vorneherein nur dann einen Anspruch auf die volle Leistung, wenn er nachweist, daß er entweder eine Arbeit annimmt, einer gemeinnützigen Tätigkeit nachgeht oder eine Ausbildung absolviert".

Lediglich ein Absatz ihres Sozial-Manifestes erinnert noch an CDU-Arbeitsminister Norbert Blüm: "Ältere Arbeitnehmer, die wenigstens 15 Jahre erwerbstätig waren, können ihr Erspartes behalten". Wie allerdings einem 55jährigen Diplomingenieur, der arbeitslos wird, vermittelt werden soll, daß er jede Arbeit anzunehmen habe, steht nicht in dem Merz-Vorschlag. Da heißt es bürokratisch: "Es gelten einheitliche Zumutbarkeitskriterien für die Annahme einer Arbeit."


 
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