© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/01 27. April 2001

 
Meldungen

Neue Lernziele im Geschichtsunterricht

SEELZE. Im bundesdeutschen Individualisten kommt der Weltgeist zu sich selbst. Das könnte man aus den Vorschlägen schlußfolgern, die der Stuttgarter Didaktiker Werner Heil zur "Reform des Geschichtsunterrichts" macht und die an einem Gymnasium in der Harald-Schmidt-Stadt Nürtingen bereits praktisch erprobt werden (Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, Heft 2/01). Heil geht aus von der "Typologie des homo historicus", einer Abfolge von Weltbildern und Bewußtseinsstrukturen. Die politische Geschichte zeige nur eine "Oberflächenstruktur", während die Wirklichkeitsverarbeitung des Menschen die Schüler in seine "Tiefenstruktur" führe. Dabei lernten sie gerade in der jüngeren deutschen Geschichte "obrigkeitsstaatliche Mentalität" und andere "längst vergangene Bewußtseinsformen" kennen. Auf dieser Kontrastfolie erführen sie dann "als höchstes Ziel" des Unterrichts den "Menschen als autonome Persönlichkeit" und die "Demokratie" als "festen Bestandteil des deutschen Selbstverständnisses".

 

Staatliche Expertenmacht contra Genindustrie

BADEN-BADEN. Die Zentrale Kommission für Biologische Sicherheit (ZKBS) nimmt bei der Beurteilung sicherheitsrelevanter Fragestellungen der Gentechnik eine Schlüsselstellung ein.Der auf Gentechnikrecht spezialisierte Hamburger Jurist Arnim Karthaus stellt diese in der Öffentlichkeit kaum bekannte Expertengruppe vor, die die Bundes- und Landesbehörden bei der Verordnungsgebung und dem Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften berät (Zeitschrift für Umweltrecht, Heft 2/01). Die aus 15 Personen bestehende ZKBS sei wegen des Übergewichts tendenziell gentechnikfreundlicher Wissenschaftler "aus rechtspolitischer Perspektive mit guten Gründen kritisiert" worden. Trotzdem meint Karthaus, daß sie als "staatseigenes Wissenspotential" eine "Gegenmacht" zur bereits kräftig ausgebauten Macht der gentechnischen Industrie darstelle.

 

Quelle aus Darrés Nachlaß erschlossen

BERLIN. Andrea d‘Onofrio (Bern), hervorgetreten mit Studien zur Agrarideologie, präsentiert im jüngsten Heft der Zeitschrift für Geschichtswissenschaften (2/01)in Ausschnitten erstmals eine Geheimrede des Reichsbauernführers Richard W. Darré. Diese 1936 gehaltene, im Darré-Nachlaß im Koblenzer Bundesarchiv aufgespürte Rede dokumentiere in denkbar klarster Form die "ostexpansionistischen, auf rassistischen und sozialdarwinistischen Grundlagen" beruhenden Gedanken des Blut-und-Boden-Propagandisten. Damit seien "Apologeten" wie der Agrarwissenschaftler Heinz Haushofer widerlegt, die betont hätten, dieser "Bauernideologie" seien Lebensraumgelüste fremd gewesen.

 

Springer-Konzern bahnte Weg des Amerikanismus

MÜNCHEN. Läßt sich die Geschichte der BRD unter dem Schlagwort "Coca-Colonisation" schreiben? Die ideengeschichtlichen Forschungen zur frühen Bundesrepublik, die Christof Mauch in einer Sammelrezension in der Historischen Zeitschrift vorstellt (Band 272/2001), wollen diese Frage nicht ganz verneinen. Nur sei die "Verwestlichung" keine "passive Anverwandlung" (Arnold Bergstraesser) gewesen, sondern von den Besiegten aktiv-dynamisch vorangetrieben worden. Gerade der Axel-Springer-Konzern habe bei der Verbreitung westlichen Gedankengutes unter jenen "meinungsbildenden Eliten" in den Medien, Parteien und Verbänden eine führende Rolle gespielt. Wie kein anderes Medium hätten die Springer-Blätter die konsumorientierte Massenkultur der USA begrüßt und die im Zeichen des Kalten Krieges stehenden Verwestlichungstendenzen multiplikatorisch verstärkt.


 
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