© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/01 04. Mai 2001

 
Versöhnung auf dem Areopag
Griechenland: Johannes Paul II. ist der erste Papst, der seit dem Schisma von 1054 Athen besucht
Gregor M. Manousakis

Am 4. und 5. Mai wird Johannes Paul II. als erster Papst nach dem Schisma der Großen Kirche (1054) eine griechische Hauptstadt besuchen. Weder Konstantinopel bis zu seiner Eroberung (1453) noch Athen nach der Befreiung Griechenlands vom Osmanischen Reich (1827) hat je ein Papst besucht. Die Einladung des konservativen griechischen Staatspräsidenten Kostis Stephanopoulos erging allerdings nicht an das Oberhaupt der katholischen Kirche, sondern an das Staatsoberhaupt Johannes Paul II. Der 74jährige sprach sie offiziell aus, als er im Januar 2001 Rom besuchte und vom Papst empfangen wurde. Der Papst nahm die Einladung im Rahmen seiner Wallfahrt nach Osten anläßlich des zweitausendjährigen Jubiläums des Christentums an. In Athen will er auf dem Areopag predigen, dem Hügel, wo auch der Apostel Paul vor 2.000 Jahren gepredigt hat.

Zwischen dem Vatikan und den orthodoxen Kirchen gibt es schwerwiegende Differenzen. Die Kirche Griechenlands hat daher Probleme mit den übrigen Ostkirchen wegen des Papstbesuches. Über ungewöhnlich viele Leserbriefe an die Presse hat auch das Volk seine Meinung dazu geäußert. Die ablehnenden überwiegen die bejahenden Stellungnahmen. Positiver gegenüber dem Besuch des Papstes sind die Pressekommentare. Besonders glücklich sind dagegen die katholische Gemeinde Griechenlands und die wenigen Unierten. Die Katholiken fühlen sich in Griechenland nach wie vor diskriminiert. Vor allem in Armee, Polizei und Behörden müßten sie zahlreiche Nachteile hinnehmen, klagte der katholische Erzbischof von Athen, Nikolaos Foscolos, in einem Interview.

Diese Lage war dem Vatikan schon vorher klar. Der Papst machte daher seinen Besuch von der Zustimmung der Kirche abhängig. Erzbischof Christodoulos, das Oberhaupt der griechischen Kirche, hat sich in der Frage des Besuches nicht besonders exponiert. Er betonte, daß die Kirche nicht darüber befinden könne, welches Staatsoberhaupt die Regierung einladen will. Trotz erheblicher Widerstände setzte er sich in der Heiligen Synode mit diesem Argument durch. Zu vermerken ist, daß eines der wichtigsten Argumente in der Synode für den Empfang des Papstes durch die Kirche die Tiefe und die Komplexität der Probleme zwischen der Orthodoxie und dem Katholizismus war. Da von den Medien nicht zu erwarten sei, daß sie dieser Komplexität in ihrer Berichterstattung gerecht würden, wäre bei einer Ablehnung des Empfangs des Papstes nur das Nein der Kirche simplifizierend herausgestellt worden.

Die Differenzen zwischen den orthodoxen Kirchen und dem Vatikan haben dogmatische, historische und aktuelle Ursachen. Dogmatisch lehnen die Orthodoxen unter anderem die vatikanische Lehre ab, daß der Apostel Petrus über den übrigen Aposteln stand und daß der Apostel Paulus sich "vollständig der monarchischen kirchlichen Autorität des ersten Papstes und Königs der Kirche, d.h. des Apostel Petrus, unterworfen" hätte (Päpste Johannes XXII., 1327, und Clemens VI., 1351). Die Orthodoxie verweist dagegen auf die Gleichheit aller Apostel und lehnt die von der Westkirche vertretene Sonderstellung des Petrus ab, auf der aber nach der Lehre der katholischen Kirche das Primat und die Unfehlbarkeit des Papstes aufbaut. In dogmatischen Fragen steht im allgemeinen die westliche Scholastik dem östlichen Hesychasmus (einer Sonderform der mittelalterlichen byzantinischen Mysik) gegenüber. Historisch ist das Verhältnis zwischen Orthodoxie und Katholizismus wegen des Schismas der Großen Kirche 1054 und wegen der Zerstörung Byzanz’ durch die Kreuzritter (1204) nachhaltig belastet. Die spätere Eroberung des Byzantinischen Reiches durch die Osmanen und die Unterjochung der christlichen Völker Südosteuropas waren die Folgen jener Zerstörung.

Aktuell leidet das Verhältnis zwischen Katholizismus und Orthodoxie wegen des Strebens des Vatikans, aus den lädierten Kirchen des Ostens orthodoxe Gemeinden mit ihrem Ritus unter seine Zuständigkeit zu stellen, sofern sie das Primat des Papstes anerkennen. Die orthodoxen Kirchen sehen in den unierten Gemeinden ein Vehikel des Vatikans, ihre eigene Kirche zu unterhöhlen. Der Wunsch des Vatikans, daß der Papst während seines Besuches in Athen auch von einem unierten Kardinal, dem Syrer Ignaz Mussa Daud I., begleitet wird, ist von der Kirche abgelehnt worden. In den griechischen Medien wird schon die Befürchtung ausgesprochen, daran könne der Besuch des Papstes scheitern. Zu den aktuellen Differenzen zwischen den beiden Glaubensrichtungen gehört auch die Rolle des Vatikans bei der Auflösung Jugoslawiens.

Papst Johannes Paul II. soll am Freitag, den 4. Mai, um 11 Uhr im Athener Flughafen "Eleftherios Veniselos" ankommen und danach vom Staatspräsidenten und dem sozialistischen Premier Konstantin Simitis empfangen werden. Anschließend wird er vom Erzbischof von Athen, Christodoulos, in seinem Amtsitz begrüßt. Von dort wird er in die Residenz des Nuntius in Athen fahren, dort ein Essen für die katholischen Bischöfe Griechenlands geben und anschließend den Erzbischof Christodoulos empfangen. Danach wird der Papst die katholische Kathedrale von Athen besuchen, und am Abend wird er auf dem Areopag-Hügel sein. Dort werden der Papst und der Erzbischof von Athen eine gemeinsame Erklärung in englischer und griechischer Sprache über die christlichen Wurzeln Europas abgeben. Am nächsten Tag will der Papst eine katholische Messe in einem großen geschlossenen Raum in Latein und Griechisch zelebrieren, anschließend zum Flughafen fahren und nach Damaskus weiterfliegen.

Während der Anwesenheit des Papstes in Athen werden über 4.000 Polizisten für seine Sicherheit sorgen. Befürchtet werden vor allem Demonstrationen von orthodoxen Gläubigen, die den Besuch des Papstes kompromißlos ablehnen. Ob der Aufruf von Patriarch Bartholomaios I., von Protesten gegen den geplanten Papst-Besuch Abstand zu nehmen, Wirkung hatte, läßt sich nicht voraussagen.

Die griechischen Behörden befürchten nach dem Brandanschlag auf das Athener Büro des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel nun auch ein Attentat auf den Papst. In einem Bekenneranruf der Bombenleger in der Zeitung Eleftherotypia hieß es, nach dem "Großpfaffen" Patriarch Bartholomaios I. solle jetzt der Papst "aufs Korn" genommen werden, da er "der Hauptverantwortliche für das Blutvergießen auf dem Balkan von Bosnien bis Kosovo" sei. Das berichtete Kathpress letzte Woche. Das Attentat könnte nach Ansicht von Experten von der linksextremistischen Terrorgruppe "17. November" geplant sein. Diese hatte zuletzt im Juni 2000 den britischen Militärattaché in Athen, William Saunders, ermordet. Der Anschlag gegen die Phanar-Vertretung wurde nach Angaben der Behörden von einer bisher unbekannten Organisation mit der Bezeichnung "Antiautoritärer Kampf" verübt. Kenner von Griechenlands Terrorszene ordnen sie ins "rechtsradikal-nationalistische Lager" ein.


 
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