© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/01 11. Mai 2001

 
Verkaufsschlager Hitler
von Angelika Willig

Diese Woche zeigt der Spiegel-Titel wieder mal Adolf Hitler. Es kommt einem vor, als ob der letzte Hitler-Spiegel erst ein paar Wochen her sei. Das stimmt nicht. Dafür gab es im Stern die Ahnenreihe Bismarck, Hitler, Schröder, und man fragte sich, für wen das jetzt ein Kompliment sein soll. Im Spiegel war Hitler Anfang des Jahres mit Friedrich dem Großen zu sehen. Dafür gab es im Juni vorigen Jahres die unübertrefflich geschmacklose Kitsch-Collage mit Hitlers Adlerblick auf die Strumpfhalter vom "Blauen Engel". Billigen Vorwand dieses gigantischen "Unrats" bildete Marlene Dietrichs Emigration aus Nazi-Deutschland. Auch das Titelbild zu "Hitlers langer Schatten" enthält ungefähr soviel Information wie Verona Feldbuschs Dekolleté. Man sieht es immer wieder gern. Auch die Geschichte dazu ähnelt jenen Soap-Operas, die man gerne sieht, obwohl niemals etwas Unvorhersehenes oder gar Neues geschieht. Man hört es immer wieder gern, wie Joachim Fest den "Dämon" Hitler als "Verkörperung des Bösen" bezeichnet oder daß sich der Führer – wahrscheinlich – in den Abendstunden des 28. April zum Selbstmord entschloß.

"Sex sells", heißt es in Amerika. Und noch besser verkauft sich "Sex and Crime". Daraus erklärt sich vielleicht, warum man zwar Hitlers Verbrechen angeprangert, aber nicht die schlechtesten, sondern eher schmeichelhafte Fotos von ihm zeigt. Vielleicht kommen wir deshalb aus dem Schatten nicht heraus, weil wir uns darin ganz wohl fühlen. Und ums Wohlfühlen geht es doch heute, worum sonst.


 
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