© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/01 11. Mai 2001

 
Historischer Kompromiß bei den Wahlen
Südtirol: Die konservative SVP verbündet sich mit dem Links-Bündnis "Ulivo" / Rechtspolitiker bedroht Autonomie-Statut
Beatrix Madl

Auf die Südtirolpolitik der nächsten italienischen Regierung nach den Parlamentswahlen am 13. Mai sind Beobachter schon jetzt gespannt. Aktuellen Prognosen zufolge könnte der Unternehmer Silvio Berlusconi mit seinem Mitte-Rechts-Block "Casa delle libertà" am kommenden Sonntag siegen. Die Südtiroler fürchten in diesem Fall um ihre Position gegenüber Rom. Schuld daran ist sicher nicht die peinliche Panne mit den Südtiroler Wahlplakaten des Medienzars: Das "Haus der Freiheiten" hatte vor einigen Monaten eigens Werbeposter mit deutscher Aufschrift kleben lassen. Kein Südtiroler verstand bei deren Betrachtung, was Berlusconi ihnen damit sagen wollte: Zwei Worte waren im Werbeslogan verdreht und so sein Sinn entstellt.

Die Südtiroler fürchten vielmehr die Aushöhlung ihrer Autonomie durch die Politik von Berlusconis Bündnispartnern, speziell durch die postfaschistische Alleanza Nazionale (AN). Die deutsche Bevölkerung zwischen Brenner und Salurner Klause wurde unter Mussolini verfolgt. So ist es denn nur auf den ersten Blick überraschend, wenn die regierende Südtiroler Volkspartei (SVP), die sonst ihre Nähe zur ÖVP und zur CSU betont, mit dem Links-Bündnis "Ulivo" im Kammerwahlkreis Bozen-Leifers und im Senatswahlkreis Bozen-Unterland eine Liste bildet. Durch diese Verbindung sitzen die Südtiroler Konservativen mit Alt-Kommunisten in einem Boot, ein "historischer Kompromiß" auf südtirolerisch. Aufgrund des Listenbündnisses kann die deutsche Volksgruppe im Kammer-Einmannwahlkreis Bozen-Leifers keinen deutschen Kandidaten wählen. Nach langem Zögern entschied sich die Union für Südtirol von Eva Klotz gegen eine Kandidatur. Sie fürchtete wohl, dafür nicht genügend Unterschriften zu bekommen. Die Freiheitlichen wagten zu sammeln, bekamen aber doch nicht genügend zusammen.

In ihrer Rhetorik gegenüber italienischen Rechten sind die Südtiroler dagegen deutlich auf Abgrenzung bedacht. Ende April schnitt eine Delegation des Südtiroler Landtags bei einer Belgienreise den AN-Abgeordneten Alessandro Urzi und Donato Seppi von Unitalia: Sie wollten mit "Postfaschisten nichts zu tun haben". Bereits im vorigen Jahr meinte SVP-Chef Siegfried Brugger, die EU müsse nach dem "Fall Österreich" mit denselben Maßnahmen reagieren, falls es in Rom bei den Parlamentswahlen wie schon 1994 zu einer Rechtsregierung komme. Der Südtiroler Landeshauptmann Luis Durnwalder vertrat denselben Standpunkt und provozierte zudem mit der Aussage, Italiens Postfaschisten stünden weiter rechts als Jörg Haider.

Zwischen SVP und ÖVP tut sich in dieser Frage offenbar ein Graben auf: Die österreichische Regierung sieht in einer Regierung mit AN-Beteiligung in Rom keinen Anlaß, die selbst erlittene Sanktionspolitik für Italien zu fordern. Im Gegenteil: ÖVP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat sagte dem Mailänder Corriere della Sera, sie hoffe auf den Wahlsieg Berlusconis. Sie bezeichnete den Forza Italia-Chef als "Integrationsfigur", die konservative Kräfte zusammenhalte. Auch mit AN-Chef Gianfranco Fini hat die Politikerin kein Problem.

Die Südtiroler, speziell die SVP, waren von der Stellungnahme überrascht. Vertreter der deutschen Volksgruppe fürchten vor allem einen möglichen Aufstieg des Forza Italia-Abgeordneten Franco Frattini. Der Italiener ist derzeit Präsident der parlamentarischen Kontrollkommission für die Geheimdienste, kandidiert bei der Wahl als Kammerabgeordneter für den Wahlkreis Bozen-Unterland und ist Berlusconis Favorit für das Amt des Innenministers. Frattini bezeichnete in der Vergangenheit Autonomiefragen mehrfach als "rein inneritalienische Angelegenheit". Er kritisierte die speziellen Finanzbestimmungen für Südtirol, die dem Land die Verwaltung von 90 Prozent seiner Steuereinnahmen sichern. Für die Ortsnamensgebung forderte Frattini die Zweisprachigkeit. Das heißt: die erfundenen italienischen Namen aus der Zeit des Faschismus sollen beibehalten werden. Berlusconi sah sich bereits im Januar dazu gezwungen, Frattinis provokante Äußerungen zu relativieren und sie als "reine Privatmeinung" herunterzuspielen. Das beruhigte SVP-Obmann Siegfried Brugger offensichtlich nicht. In einem Interview mit der Wiener Presse sagte SVP-Chef Siegfried Brugger, daß die Südtiroler "sogenannte moderate Rechtsparteien" in der italienischen Regierung mehr fürchten müßten als die Postfaschisten. Der Vorsitzende der Alleanza Nazionale in Südtirol, Giorgio Holzmann, sei ein "soliderer Gesprächspartner" als Franco Frattini. Im Gegensatz zu Letzterem erkenne der Bozener AN-Chef die internationale Verankerung der Südtirol-Autonomie an. Holzmanns harte Position zur Frage der Ortsnamensgebung berührt Brugger offenbar nicht weiter. Dabei könnte Südtirol diese bald zu spüren bekommen: Gewinnt das "Casa delle libertà" in Rom, so könnte der Postfaschist Unterstaatssekretär für Minderheitenfragen werden. Er kandidiert für die Abgeordnetenkammer im Verhältniswahlkreis der Provinz Bozen, wo er die AN-Liste anführt.

Seine Partei hat den größten Zulauf der Italiener in Südtirol und weiß rund die Hälfte der italienischen Wähler in der Provinz hinter sich. Da die AN zugleich italienweit antritt, muß sie auch nicht im Verhältniswahlkreis die Vier-Prozent-Hürde fürchten. Das ist bei der SVP anders. Aus Protest gegen diese Klausel tritt der 87jährige ehemalige Südtiroler Landeshauptmann Silvius Magnago als Spitzenmann auf ihrer Liste an. Die SVP hofft darauf, daß es für Minderheitenparteien einmal eine neue Regelung geben wird. Holzmann als möglicher Unterstaatssekretär für Minderheitenfragen würde einen solchen Gesetzesvorschlag sicher bekämpfen. Als italienische und autonomiefreundliche Kraft tritt im Verhältniswahlkreis der Provinz übrigens die rechte Lega Nord gegen die AN an.


 
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