© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/01 11. Mai 2001

 
Zielstrebig in die Politik
Burschenschaften II: In Österreich bestehen gute Beziehungen zur Regierung
Philip Plickert

Vor fünf Jahren brachte das auflagenstarke österreichische Nachrichtenmagazin Profil eine Geschichte über "Die seltsame Welt der Burschenschaften". Mürrische Mützenträger mit verkniffenen Mündern blickten aus dem Halbdunkel des Titelblattes, auf dem in dicken Buchstaben "Ewig gestrig" zu lesen war. Das war im November 1996. Die jüngste Ausgabe von Profil ziert ein ganz ähnliches Bild, doch diesmal sind es keine anonymen Schauspieler mehr: "Burschenschaften, die heimliche Macht in der Regierung", lautet nun der Titel. Aus dem Halbdunkel schauen blaß und nicht mehr ganz so mürrisch dieselben Mützen und darunter bekannte Köpfe, allen voran Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider (FPÖ). Waren die Burschenschaften 1996 noch ein politisches Randphänomen, heute säßen sie in der Regierung, jammert die linksgerichtete Profil-Redaktion.

Die schlagenden Verbindungen galten lange Zeit als das akademische Rückgrat der FPÖ, und in der Tat haben es Verbindungsstudenten auf der Welle des FPÖ-Erfolges ganz nach oben geschafft. Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider trat als Schüler der pennalen Verbindung Albia in Bad Ischl bei. Während des Jurastudiums in Wien war Haider bei der Burschenschaft Silvania aktiv und nach Aussagen von Bundesbrüdern ein "aggressiver, aber blendender Fechter". Auch Dieter Böhmdorfer, der heute als parteiloser Justizminister im Kabinett Schüssel sitzt, paukte bei der Silvania, während sich Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP) beim Turnverein Graz nach eigenen Angaben hauptsächlich mit Basketball beschäftigte.

Sozialminister Herbert Haupt (FPÖ), der wohl einzige männliche Frauenminister Europas, war aktiv bei der Landsmannschaft Kärnten zu Wien. Freimütig gibt der etwas beleibte Minister zu, er sei mit zwölf Mensuren zwar ein "fleißiger, aber kein guter Fechter" gewesen. Sein Staatssekretär Reinhart Waneck ist Alter Herr der evangelisch geprägten, gleichwohl schlagenden Akademischen Verbindung Wartburg zu Wien, und selbst Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer hat eine enge Beziehung zu den Verbindungen. Ihr Ehemann Michael Passer, ehemaliger Vizebürgermeister von Innsbruck, ist Mitglied der dortigen Burschenschaft Suevia.

Im Nationalrat, dem österreichischen Parlament, bilden die Verbindungsstudenten eine starke Gruppe in der FPÖ-Fraktion. Neben Martin Graf von der Wiener Burschenschaft Olympia gibt es einen Corpsstudenten, einen Turner, einen Sänger und einen pennal Korporierten. Auch auf Länderebene findet sich eine ganze Reihe korporierter FPÖ-Funktionäre. Ewald Stadler, Landesrat in Niederösterreich, hat bei seiner Innsbrucker Sängerschaft Skalden nicht nur gesungen, sondern auch vier Mensuren gefochten. Dem Akademischen Corps Erz zu Leoben entstammt der steirische FPÖ-Parteichef Leopold Schöggl, sein oberösterreichischer Kollege Hans Achatz ist Alter Herr der Wiener Burschenschaft Libertas. Die Wiener Parteisektion der FPÖ, so hat es den Anschein, ist fest in der Hand der Burschenschaft Aldania: Stadtrat Johann Herzog wie auch fünf seiner Fraktionskollegen haben dort ihre studentischen Wurzeln; drei weitere Abgeordnete sind Mitglieder anderer Verbindungen.

In früheren Regierungen wirkten ebenfalls Verbindungsstudenten, wobei die ÖVP traditionell dem nichtschlagenden, christlichen Cartellverband (CV) nahestand. Mit dem Bundespräsidenten Thomas Klestil und dem ÖVP-Klubobman Andreas Kohl hat der CV wieder einmal Schlüsselpositionen besetzt, während Bundeskanzler Schüssel den "Käppelbrüdern" eher skeptisch gegenüberstand. Von schlagenden Verbindungen wird der CV geringgeschätzt. Dort treffe sich, wer einfach nur lieb sein und gute Karriere machen wolle, heißt es, und Corpsstudent Schöggl urteilt wenig höflich: "Die fuchteln doch bloß mit dem Schläger herum."

Linksgerichtete Medien wie Profil wittern in der hohen Zahl von Verbindungsstudenten eine Art "blaue" Verschwörung. "Wie gefährlich sind die Burschenschaften?" lautet die bange Frage, die üblicherweise mit Bildern von frischen Mensurwunden unterlegt wird. Besonders entsetzt die Linke das Bekenntnis der österreichischen Burschenschaften zur deutschen Kulturgemeinschaft. "Ich glaube nicht an die österreichische Nation", wird der General a.D. und FPÖ-Abgeordnete Wolfgang Jung zitiert. "Von der Abstammung bin ich ganz eindeutig Deutscher." Bei solchen Worten hören manche schon die Anschlußglocken läuten. Auch Jörg Haider hat einst den Begriff der österreichischen Nation als "intellektuelle Mißgeburt" bezeichnet und dafür heftig Prügel bezogen.

Mit der allmählichen Verbreiterung der FPÖ-Parteibasis und der Wandlung in eine Volkspartei seit den neunziger Jahren wurde der Einfluß der Verbindungen geringer. Nur wenige glauben noch wie der bildungspolitische Sprecher Graf, Burschenschaften seien "einer der wesentlichsten Pfeiler der FPÖ". Der Historiker Lothar Höbelt von der Universität Wien, der mehrere Bücher zur Geschichte der nationalliberalen Bewegung in Österreich geschrieben hat, urteilt realistischer: "Der ideologische Input der Korporierten wird maßlos überschätzt." Dennoch erkennt auch er, die Verbindungen seien ein Fangnetz für die FPÖ, denn "sie halten der Partei unbedingt die Treue".


 
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