© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/01 18. Mai 2001

 
Zu dieser Ausgabe
Die Erinnerung wach halten
Dieter Stein

Was ist die Aufgabe einer Wochenzeitung? In dieser Woche stellte sich uns diese Frage in exemplarischer Weise: Entscheiden wir uns für die tagesaktuellen Themen, oder legen wir den Schwerpunkt auf grundlegende, "zeitlose" Fragen? In Italien kam es zu einem klaren Sieg eines rechtsbürgerlichen Wahlbündnisses unter dem Medien-Zar Berlusconie. Eine schallende Ohrfeige für eine fast ausschließlich von Sozialisten und Sozialdemokraten dominierte Europäische Union, die glaubte, über Ratsbeschlüsse Wählerentscheidungen in den Mitgliedsstaaten beeinflussen oder sogar korrigieren zu können. Sicher wäre der Ausgang der italienischen Wahlen ein profundes Aufmacher-Thema für diese Ausgabe gewesen. Sie werden sehen: Alle Wochenzeitungen werde in dieser Woche den Sieg Berlusconis auf ihrer Titelseite haben.

Und dennoch haben wir uns für ein Thema entschieden, das uns von allen anderen unterscheiden wird. Wir greifen den in der vorletzten Ausgabe begonnenen Faden über den "Verratenen Widerstand" (JF 19/01) wieder auf und spinnen ihn weiter. Wie wir berichteten, gibt es versträkt die Tendenz (in diesem Fall durch die Historiker Hans Mommsen und Peter Steinbach), unter dem Stichwort der "Entheroisierung" das Andenken an den nationalkonservativen Widerstandes, die "Weiße Rose", den 20. Juli 1944 zurückzudrängen und ihm seine besondere Bedeutung zu nehmen.

Wir sind der Überzeugung, daß der Widerstand, der in den 20. Juli 1944 mündete, einen herausgehobenen Platz im Bewußtsein der Nation haben muß und daß man die Akteure in Schutz nehmen muß gegen den Versuch, ihre Taten zu marginalisieren.

Wolfgang Venohr, den wir als Stauffenberg-Biographen zum 20. Juli interviewt haben, steht für die diejenigen, die das Attentat zunächst in der Rolle der Frontsoldaten als Verrat empfanden und sich später der Ausnahmetat des Verschwörerkreises annäherten. Nicht jeder hatte das Wissen wie Stauffenberg oder die anderen Generalstabsoffiziere, die an dieser gigantischen Verschwörung beteiligt waren, und konnte die Dimension des verbrecherischen Charakters des NS-Regimes erfassen und war auch in einer Position zu handeln.

In einer Zeit, in der das Große klein gemacht wird, sehen wir es als unsere Aufgabe an, die Maßstäbe wieder geradezurücken. Der 20. Juli 1944, aber auch die Widerstandsgruppe "Weiße Rose", hat ein Beispiel für Opfermut und ethisches Handeln und gegen Anpassung, Unterwerfung und Opportunismus gegeben. Daß sie dabei entschieden national motiviert waren, macht ihr Andenken für eine Gesellschaft so schwierig, deren tonangebende politische Klasse Nation und Volk am liebsten historisch entsorgen möchte.

Jugendliche, die sich mit der Geschichte auseinandersetzen, wollen sich mit handelnden Personen identifizieren, sie suchen Vorbilder. Hier sind sie. Wir dürfen nicht zulassen, daß ihr Andenken entehrt wird.


 
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