© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/01 18. Mai 2001

 
Rechtsruck in die Mitte
Die Italiener bewiesen bei der Wahl politisches Selbstbewusstsein
Andreas Mölzer

Silvio Berlusconi und das von ihm geführte Rechtsbündnis hat bei den italienischen Wahlen knapp, aber doch deutlich gewonnen. Nachdem dies von den meisten Meinungsforschern vorhergesagt worden war, war es keine Überraschung, dennoch aber ein Schock für das linksliberale Establishment, für Politik und Medien quer durch die EU: Einer der großen Gründerstaaten der Gemeinschaft hat da nach dem kleinen Österreich im vorigen Jahr gewagt, die eigene politische Landschaft wiederum auf Rechts umzupolen.

Nun mag man von den drei dominanten Gruppierungen und ihren Führungspersönlichkeiten Berlusconi, Fini und Bossi halten, was man will. Tatsache ist jedenfalls, daß sie die Mehrheit der Italiener davon überzeugen konnten, daß sie in wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Dingen eine Wende im Lande der Mafia, der butterweichen, wenn auch nun Euro-eingebundenen Lira und der längst zur Tradition gewordenen Korruption bringen könnten. Berlusconi, Medienzar und Wirtschaftskapitän, gilt als Persönlichkeit mit geringem moralischen Skrupel, wenn es um Gewinn und Vorteil geht. Fini, der angeblich geläuterte Neofaschist, scheint die seriöseste Figur in dem Trio zu sein. Und Bossi, der in seinen Aussagen auch die Groteske nicht scheuende Separatist, wird wohl der unberechenbarste der drei Partner sein. Bereits in der erste Hälfte der neunzigerJahre ließ er eine Rechtskoalition ja nach wenigen Monaten scheitern. Nunmehr hat er solchem Vorgehen gegenüber Berlusconi mittels Vertrag abgeschworen. Ob ihn dies hindern wird, bleibt abzuwarten.

Fest steht jedenfalls, daß sich die EU gegenüber Italien hüten wird, den "Fall Österreich" zu wiederholen. Die Großmeister der political correctness in den sozialdemokratisch dominierten Staatskanzleien und in den linken Medien zeigen da zwar sichtlich wenig Freude mit dem italienischen Wahlausgang. So etwas wie Sanktionen gegen Rom allerdings wird man mit Gewißheit nicht verhängen. Nicht nur, weil Italien größer und damit gewichtiger innerhalb der Union ist, nein, auch deshalb, da man das Versagen dieses Instrumentariums am österreichischen Fall klar erkennen mußte. Dies wird die herrschende Euro-Altlinke allerdings nicht daran hindern, demütigende Gesten, Dialogverweigerung und ähnliches gegenüber den neuen italienischen Mächtigen zu üben. Hinter den Kulissen allerdings wird man sich mit Berlusconi, Fini und wohl auch Bossi rasch auf einen Modus vivendi einigen.

Indessen wäre es verfehlt zu glauben, die italienischen Wahlen hätten keine Auswirkungen auf die politische Lage innerhalb der EU insgesamt. Es scheint sich nämlich so etwas wie ein mitteleuropäischer "Rechts-Block" herauszukristallisieren. Jenseits der innerhalb der Union ohnedies immer unwichtiger werdenden alten nationalstaatlichen Grenzen gruppiert sich mit der FPÖ/ÖVP-Koalition in Österreich, mit der bayrischen CSU, mit der rechtsliberalen Regierung Orbán im vorrangigen Beitrittskandidatenland Ungarn und nunmehr mit der italienischen Regierung Berlusconi so etwas wie eine Gegenkraft zum sozialdemokratisch dominierten EU-Establishment. Wie weit diese Kraft Modellcharakter für andere europäische Länder haben kann, wird sich zeigen. Während die konservative Regierung in Madrid vor einem Jahr gegen Österreich gemeinsame Front mit den sozialdemokratisch dominierten Regierungen machte, wird sie sich nunmehr hüten, offiziell gegen die Italiener aufzutreten. Hier dürfte romanische Gemeinsamkeit und das tiefe innere Verständnis einer Franco-Nachfolgepartei für geläuterte Postfaschisten doch vorherrschen. Wie auch immer sich die italienische Wende auf Europa auswirken mag, zu allerletzt wird dies gewiß in Deutschland feststellbar sein. Berlin, London und Paris verstehen sich mit Sicherheit als zentrales Dreieck sozialdemokratischer Dominanz in der EU.

Interessant wird die Frage sein, ob dieser sich formierende Block in der Mitte Europas auch tatsächlich zu gemeinsamer Aktion und gemeinsamer Politik aufraffen wird können. Im Vorfeld der Wahl beispielsweise glaubten ja die Ausgegrenzten, einander noch gegenseitig ausgrenzen zu müssen. Berlusconi, Fini und Bossi überboten sich in Distanzierungen gegenüber dem Gründervater der österreichischen Mitte-Rechts-Regierung, dem Ex-FPÖ-Chef Jörg Haider. Taktisch in Zeiten des Wahlkampfs möglicherweise notwendig, insbesondere um eben eine ähnliche Vorgangsweise der EU-Staaten gegenüber Rom nach einer Rechtswende zu verunmöglichen. Nun aber wird sich zeigen, ob konservative Regierungen in erster Linie nur nationalstaatliche Egoismen zu vertreten vermögen, oder ob sie die Reife zu gemeinsamer, europaweiter Politik gefunden haben.

Eines kann man in bezug auf Italien mit Sicherheit sagen: Im Unterschied zu Österreich könnte Berlusconi, wenn er in der Lage ist, eine stabile Regierung auf mehrere Jahre in die Landschaft zu stellen, eines schaffen: Mit seiner geballten Medienmacht könnte er tatsächlich nicht nur das Parlament, sondern auch die öffentliche Meinung dominieren. Etwas, was in Österreich völlig unmöglich ist. Hier sind ÖVP und FPÖ zwar an der Regierung, an der Macht längst noch nicht. Diese üben weiter strukturkonservative alte Linke aus, die in den Medien und gesellschaftlichen Institutionen nach wie vor am Drücker sind.

 

Andreas Mölzer ist Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung "Zur Zeit" und Kulturberater des Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider (FPÖ).


 
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