© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/01 18. Mai 2001

 
Steinbach: Hirzel hat die Geschwister Scholl verraten
Moritz Schwarz

Die Süddeutsche Zeitung berichtete in ihrer Ausgabe vom 30. April in einem dpa-Beitrag, der Leiter der Berliner "Gedenkstätte Deutscher Widerstand", Peter Steinbach, habe die Vermutung geäußert, ein Mitglied der Widerstandsgruppe "Weiße Rose", Hans Hirzel, "habe am 17. Februar 1943 die Gruppe an die Gestapo verraten, was Sophie Scholl gewußt haben könnte". Am darauffolgenden Tag wurden die Geschwister Scholl – Kristallisationspunkt der "Weißen Rose" – bei einer leichtsinnigen Flugblatt-Verteilung in der Universität München verhaftet. "Dann wäre die Aktion", so faßt dpa Steibach zusammen, "ein bewußtes Zeichen an die Öffentlichkeit gewesen, eine Verzweiflungsaktion." Die Geschwister Scholl wurden hingerichtet. Der damals 18jährige Schüler Hirzel wurde vom "Volksgerichtshof" des Roland Freisler zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.

Da die Historiker Steinbach und Hans Mommsen laut dpa eine "Entheroisierung" der "Weißen Rose" forderten, widmet sich die JUNGE FREIHEIT diesem Thema nun ausführlich.

Daß Hans Hirzel im Gestapo-Verhör den Namen Sophie Scholls genannt hatte, ist allerdings längst bekannt. Dennoch, so der Stand der Forschung bislang, hatte dies offenbar nichts mit Verrat zu tun. Die Weiße-Rose-Stiftung in München nahm daher Hirzel auch gegenüber solchen Verdächtigungen in Schutz: Die Ulmer Gestapo, die Hirzel vernommen hatte, sei von der Verhaftung der Scholls in München am Tag darauf völlig überrascht worden. Dafür spricht auch die spätere Zeugenaussage des Beamten, der Hirzel am 17. Februar vernommen hatte: "Die Nachricht (von der Verhaftung der Scholls) schlug (bei uns) ein wie eine Bombe". Ist der Leiter der "Gedenkstätte Deutscher Widerstand" also auf neue, bisher unbekannte Quellen gestoßen? Eine Interviewanfrage der JUNGEN FREIHEIT an Peter Steinbach mit der Bitte, dazu Stellung zu nehmen, ließ der Historiker unbeantwortet.

Eine Erklärung Steinbachs ist jedoch um so dringlicher, da er laut dpa, "um eine große Forschungslücke zu schließen", dringend die Herausgabe der Weiße-Rose-Vernehmungsprotokolle wünscht, die "von der DDR-Führung unter Verschluß gehalten worden sind". Diese Akten sind allerdings seit Mitte der neunziger Jahre im Bundesarchiv Berlin einsehbar. Unter den Signaturen "ZC 13 267, Band 1-16", und "NJ 1704, Band 1-33" sind sie dort den Historikern zugänglich.


 
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