© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/01 18. Mai 2001

 
Annäherung
Steffen Martus führt in Leben und Werk Ernst Jüngers ein
Tobias Wimbauer

Der Berliner Germanist Steffen Martus hat eine solide Einführung in das Leben und Werk Ernst Jüngers veröffentlicht. Der Autor, 1968 geboren, entstammt nicht mehr jener Generation, die an Jünger exemplarisch die sogenannte Vergangenheitsbewältigung austoben mußte. Das kommt dem Buch sehr zugute. Martus betont im Vorwort, daß er "der Rekonstruktion den Vorzug vor der Kritik gegeben" habe, was ihm auch weitgehend gelingt.

Steffen Martus kennt sich aus in der Materie, die Sekundärliteratur hat er bis in die jüngste Zeit berücksichtigt. Zumeist greift er auf die verschiedenen Fassungen und Bearbeitungen der Werke Jüngers zurück und verweist auf signifikante Unterschiede. Seine Darstellung ist nahezu durchgehend wohltuend sachlich gehalten und dabei gut lesbar geschrieben. So ist das Buch vor allem jenen Lesern zu empfehlen, die mit Jüngers Werk Bekanntschaft schließen wollen. Es ist eine verdienstvolle Arbeit. Jünger wird völlig zu Recht als Klassiker der Weltliteratur vorgestellt. Mit der Unvoreingenommenheit des Wissenschaftlers stellt Martus wichtige Topoi Jüngers vor, blickt auf die Rezeptionsgeschichte und die umstrittene Person Jüngers.

Nicht jeder Interpretation kann zugestimmt werden, so zum Beispiel der ungerechtfertigten Kritik an der "Friedensschrift" als "skandalös" und als "zweifellos auf eine schwer erträgliche Art erbaulich". Einige Setzfehler ("Zapperi" statt Zapparoni) sollten in einer Folgeauflage korrigiert werden, manche Angaben bedürften einer Präzisierung. Einige Beispiele: Daß Jünger bei einer Rede Thomas Manns begleitet von Arnolt Bronnen und SA-Männern als Krawallmacher auftrat, ist so nicht richtig, sehr wohl aber war Jünger als Zuhörer zugegen. Jünger trat nach dem Ausschluß der jüdischen Mitglieder nicht aus seinem Regiment, sondern aus dessen Traditionsverein aus. Der bekannte Freisler-Brief ist als Fälschung nachgewiesen, nicht nur "vermutlich", und von den "Marmorklippen" erschienen bis 1942 mehr als sechs Auflagen. Daß bei der Nennung der Jünger-Geschwister der Bruder Wolfgang Wilhelm Jünger vergessen wird, ist mißlich. Mit den mehrere Auflagen erlebenden Büchern über den Kautschuk und die Kaffeehäuser trat Wolfgang Jünger auch literarisch in Erscheinung.

Den Kontakt Paul Celans zu Ernst Jünger wertet Martus als "Überraschung". Die JF hat jedoch bereits im vergangenen Herbst auf diese Verbindung hingewiesen (JF 48/00). Celan hatte sich 1951 an Jünger "in Dankbarkeit und Verehrung" gewandt, in der Hoffnung, daß Ernst Jünger ihm bei der Publikation eines Gedichtbandes behilflich sein könne.

1981 war in der Reihe "Sammlung Metzler" der unsägliche Jünger-Band von Wolfgang Kaempfer erschienen; diesen Makel hat der Verlag mit dem vorliegenden Buch bereinigt.

 

Steffen Martus: Ernst Jünger. Sammlung Metzler, Stuttgart 2001, 269 Seiten, Tb., 26,80 Mark


 
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