© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/01 18. Mai 2001

 
Blick in die Medien
Dotwin
Ronald Gläser

Trends sind das Markenzeichen der Spaßgesellschaft. Ihre Dauer ist immer begrenzt: Schlaghosen, Tretroller oder Big Brother. Für den neusten Trend hat unlängst ein Konglomerat aus Riesenkonzernen gesorgt: den Dotwin. Prosieben, Bild, T-D1, Shell, die Deutsche Bank und McDonald’s haben diese kleine Pappfigur kreiert, die bei der Zielgruppe der unter 20jährigen einschlägt wie ein Bombe. Der Dotwin ist nichts weiter als ein Stück Pappe, das auf den Fernseher geklebt und dadurch während bestimmter Prosieben-Sendungen aktiviert wird. Den aktivierten Dotwin kann man für ein Gewinnspiel einsenden. Pubertierende Jugendliche sammeln Dotwins, wo es nur geht (in McDonald’s- Filialen oder Shell-Tankstellen), und Prosieben erhöht seine Einschaltquote. Das ganze ist ein Marketingerfolg sondergleichen. Erwachsene diskutieren statt dessen über alle möglichen Dimensionen des Dotwin-Fiebers: Die Kritiker warnen vor der Auswertung der Daten (die Pappe identifiziert den Teilnehmer ja als McDonald’s- oder Shell-Kunden und natürlich als Prosieben-Zuschauer). Die Kreativen nehmen das Standbild einer Dotwin-Sendung auf Video auf und aktivieren Pappen am laufenden Band. Die Konkurrenten planen die nächtliche Sendung roter Tortenstücke, um Prosieben auszustechen. Und die Verschwörungstheoretiker schließlich behaupten, daß sich ein Computerchip im Dotwin befinde. Das ganze sei ein Trick der GEZ. Aber keine Angst! Der Dotwin wurde bereits seziert: Er ist genauso inhaltsleer wie das Programm von Prosieben.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen