© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/01 25. Mai 2001

 
WIRTSCHAFT
Frankreich bremst EU-Güterzüge
Bernd-Thomas Ramb

Ungeachtet des hohen Spritpreises nimmt die Verstopfung der deutschen Autobahnen immer drastischere Formen an. Während der Werktage perlen sich die Lkws auf der rechten Fahrbahn wie endlose Güterzüge. Ein Blick auf die Kennzeichen verdeutlicht: hier rollt die europäische Wirtschaft, die Osterweiterung bereits vorweggenommen. Seit Jahrzehnten wird den genervten Pkw-Fahrern die Lösung dieses Problems versprochen. Nicht durch den Ausbau der Autobahnen, sondern durch die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene. Den Zaubermeister sollte die Europäische Union spielen, die mit dem Schlagwort "Transeuropäische Netze" den freien Wettbewerb europäischer Anbieter von leitungsgebundenen Leistungen versprach, so auch Transportleistungen auf den internationalen Schienenwegen.

Auf der jüngsten Münchner Fachmesse Transport und Logistik wurde in den Diskussionsrunden wieder einmal der Unterschied zwischen EU-Schein und harter EU-Realität deutlich. Während in vielen Ländern, wie etwa Italien und Deutschland, die Trennung von Netzbetreibern und Netznutzern Fortschritte erkennen läßt, tanzt Frankreich aus der Reihe. Der für die EU-Entwicklung zuständige Assistent des Direktors der Frachtsparte der Staatsbahn SNCF brüskierte seine höherrangigen Fachkollegen mit der ungenierten Äußerung, daß die Franzosen Vorbehalte hätten, Ausländern die Nutzung ihres Schienennetzes zu bewilligen. Man könne ja mit der SNCF fahren. Das organisatorische Umladen an den alten Grenzen macht jedoch die Kosten- und Zeitvorteile der Güterzüge zunichte. Ähnlichen Egoismus praktiziert Paris auf dem Energiemarkt. Sobald es an die nationale französische Substanz geht, wird blockiert. Die EU degeneriert zum System leerer Versprechen.


 
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