© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/01 08. Juni 2001

 
Schröder schnappt sich konservative Themen
Interview: Der Journalist Joachim Siegerist über den Kanzler-Vater und die schwächste Opposition, die die Bundesrepublik je hatte
Dieter Stein

Herr Siegerist Sie kritisieren Kanzler Schröder, seinen als Wehrmachtssoldaten in Rumänien gefallenen Vater für den kommenden Wahlkampf zu instrumentalisieren. Warum glauben Sie, daß dies ein Trick ist und nicht einfach ein Zufallsfund?

Siegerist: Warum traut sich eigentlich niemand, die Wahrheit zu sagen? Schröder hat sich als viermal Verheirateter bestens qualifiziert, einen Harem zu leiten, aber doch nicht Deutschland. Das wird ihm im Wahlkampf schaden. Stoiber als sein wahrscheinlicher Gegenkandidat wird selbstverständlich mit einer heilen Familie Wahlkampf machen – so wie er es in Bayern bereits gemacht hat. Jetzt versucht sich Schröder eine "Ersatz-Heile-Familie" aufzubauen. Zwei plötzlich entdeckte Cousinen aus der ehemaligen DDR, die gute Mama, die Tag und Nacht für ihn als Reinemachefrau geschuftet hat, seine Jetzt-Ehefrau, die plötzlich traditionelle Familienwerte entdeckt und die elfjährige Tochter angeblich um 19 Uhr zu Bett schickt und ihr nur fünf Mark Taschengeld in der Woche gibt. Zur Krönung das entdeckte Grab des Soldaten-Papas in rumänischer Erde. Nur wer von politischer Werbung nichts versteht, kann hier an Zufälle glauben. Schon vor zehn Jahren hätte ein einziger Anruf Schröders bei der Kriegsgräberfürsorge genügt – und er hätte gewußt, wo sein Vater beigesetzt wurde. Aber damals begann ja schon die Anti-Wehrmachts-Arie in der SPD. Lafontaine fälschte damals sogar die Bilder seines Vaters in Uniform, machte aus der Uniform einen Zivilanzug. Ich hatte das seinerzeit dokumentarisch nachgewiesen. Ich finde es charakterlich zutiefst abstoßend, wenn man mit seiner guten Mutter und dem gefallenen Vater in den Wahlkampf zieht.

Sie werfen Schröder vor, sich während der "Soldaten sind Mörder"-Debatte und im Zuge der Diskussion um die Anti-Wehrmachts-Ausstellung des Reemtsma-Instituts nicht schützend vor die Kriegsveteranen gestellt zu haben, nun aber plötzlich den Vater zu entdecken. Halten Sie einen Lernprozeß beim SPD-Chef für ausgeschlossen?

Siegerist: Wer in Schröders Alter innerhalb kürzester Zeit Grundsatzüberzeugungen über Nacht wechseln kann, ist entweder ein labiler Charakter oder ein ausgekochter Wendehals, der den Wetterhahn immer so drehen kann, wie der Wind weht. Durch Österreich, durch Italien, aber vor allem durch Präsident Bush in den USA wird der Wind in Deutschland mehr in Richtung "rechts" blasen. Da die schwache CDU das nicht kapiert, schnappt der opportunistische Schröder ihr jedes konservative Thema vor der Nase weg. Fachlich ist Schröder der schlechteste Kanzler, den Deutschland je hatte. Wir haben aber auch die schwächste Opposition, die Deutschland nach 1949 je hatte. Selbst der langweilige Ollenhauer war ja ein Feuerkopf gegen Frau Merkel.

Ihr Jugendverband, die "Konservative Jugend Deutschlands", war in der vergangenen Woche mit einer Delegation bei Soldatengräbern im rumänischen Siebenbürgen. Sie haben an alle anderen gefallenen Soldaten namens Schröder erinnert. Warum?

Siegerist: Der gefallene "Papa Schröder" hat das Glück, daß sein Vater sozialistischer Bundeskanzler ist. Also war "Papa Schröder" natürlich auch kein "Mörder". Neuerdings stellt sich sein Sohn auf dem Kanzlerschreibtisch ja sogar das Foto des Vaters mit Stahlhelm auf. Deutlich sichtbar das Hakenkreuz. Stellen Sie sich vor, das würde ein Unions-Politiker machen. Ein gefallener Schröder wird zum Heiligen erklärt. Aber es gab in der Deutschen Wehrmacht mehr als 5.000 Soldaten mit dem Namen Schröder und davon 138 Fritz Schröder. Die sollen alle "Mörder" bleiben? Für jeden war der Krieg – entschuldigen Sie bitte – beschissen. Und jeder dieser Schröders wäre lieber bei der Familie geblieben, als für Adolf in den Krieg zu ziehen. Keine Nation der Welt tritt ihre Soldaten so in den Schmutz wie Deutschland. Damit muß doch endlich einmal Schluß sein. Schröder hätte durch den Tod seines Vaters mit wenigen Worten auch die Ehre der anderen toten Soldaten retten können, die durch seine Genossen in den Dreck gestoßen werden. Das macht er aber nicht. Er mißbraucht den Vater nur zur eigenen Propaganda.

Rechnet Schröder bereits fest mit einer Kanzlerkandidatur Stoibers?

Siegerist: Ja. Da bin ich sicher. Frau Merkel als Kanzlerkandidatin der CDU. Da könnte man den Wahlkampfetat besser auf der Reeperbahn verjubeln oder auf schwarzen Kanther-Konten in der Schweiz "parken".

Hat Stoiber überhaupt eine Chance gegen Schröder?

Siegerist: Stoiber ist der einzige in der Union, der gegenwärtig eine Chance gegen Schröder hat. Sonst sehe ich da nur noch den hessischen Ministerpräsidenten Koch. Aber für den ist es noch vier Jahre zu früh. Was bis heute auch niemand überlegt hat: Eine Kandidatur Stoibers würde das nicht-sozialistische Lager in Deutschland mobilisieren und erstmals seit Jahren wieder in die Angreifer- statt die Verteidiger-Rolle manövrieren. Selbst wenn er es dann doch nicht ganz schaffen würde – die politische Landschaft verändert sich schon mit seiner Kandidatur grundlegend und gibt dem bürgerlichen Lager enormen Auftrieb.

Sie waren im Wahlkampf von Franz Josef Strauß 1980 aktiv mit dabei. Steht ein Wahlkampf der Union mit Stoiber vor ähnlichen Problemen wie damals?

Siegerist: Strauß selber hat es mir gesagt, daß sein damaliger Hauptgegner im Wahlkampf nicht Kanzler Schmidt war, sondern der damalige CDU-Generalsekretär Geißler. Auch Kohl, der damals Kandidat werden wollte, aber von der Bundestagsfraktion nicht erwünscht war, hat die Kandidatur von Strauß nur halbherzig mitgetragen. Auch das weiß ich von Strauß selber. Strauß hielt menschlich und politisch von Kohl nicht viel. Übrigens löste damals Edmund Stoiber Gerold Tandler als CSU-Generalsekretär ab, zu dem ich menschlich wie politisch ein sehr angenehmes Verhältnis hatte. Zu Stoiber konnte ich diesen menschlichen Draht nie aufbauen. Nur: Mir war damals klar, daß Edmund Stoiber ein brillanter Kopf ist und eines Tages Strauß beerben würde. In der Politik geht es nicht um Gefühle, sondern um einen kühlen Kopf. Ich werde alles daran setzen, daß "Die Deutschen Konservativen" für Stoiber "rechte Lager" mobilisieren. Bei der Europawahl 2004 kann man über eine konservative Partei sprechen. Wer bei der kommenden Bundestagswahl mit einer rechten Mini-Partei Stoiber Stimmen abnimmt, macht sich schuldig an Deutschland und zementiert eine rote Dauer-Herrschaft, die die Demokratie mehr und mehr aushöhlt. Die Strauß-Probleme von damals sind nicht vergleichbar mit ganz anderen Problemen, denen Stoiber selbstverständlich gegenüberstehen wird.

 

Joachim Siegerist, 54, langjähriger Springer-Journalist, organisierte Anfang der achtziger Jahre Wahlkämpfe für zahlreiche CDU-Spitzen-Politiker, gründete mit Gerhard Löwenthal 1981 die "Konservative Aktion", aus der sein heutiger Verband hervorging. Kontakt: Die Deutschen Konservativen e.V., Postfach 76 03 09, 22053 Hamburg


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen