© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/01 08. Juni 2001

 
Börsengewinne statt Nachtflugverbot
Flughafen Frankfurt: Die lärmgeplagten Anwohner des größten deutschen Flughafens sollen mit Fraport-Aktien beruhigt werden
Robert Boden

Die Nachfrage nach den Aktien habe die Erwartungen bisher deutlich überstiegen, freute sich letzte Woche der Betreibergesellschaft des Frankfurter Flughafens nach dem Ende der Frühzeichnungsfrist mit. Allein die Nachfrage der Privatanleger sei höher gewesen als das Volumen der gesamten Transaktion. Auch die Anleger aus dem Rhein-Main-Gebiet hätten großes Interesse gezeigt. Privatanleger, die ihre Kauf-Order bis zum 1. Juni plaziert hatten, bekommen nun am 11. Juni einen Preisvorteil von einem Euro auf den Ausgabepreis.

Umweltschutzaspekte spielen dabei in den Wirtschaftsteilen der einschlägigen Tageszeitungen hingegen nur eine Nebenrolle. Im Gegenteil: Mit dem vielzitierten Versprechen, "unter die Top drei der Flughafen-Konzerne weltweit aufzusteigen", durfte Fraport-Chef Wilhelm Bender seine "Schleichwerbung" für die erste deutsche Flughafen-Aktie ohne kritische Nachfragen plazieren. Im Konflikt um den geplanten Ausbau des Frankfurter Flughafens haben die Fraport-Betreiber den geplagten Anwohnern hingegen sogar ein Angebot der besonderen Art unterbreitet: Wir bringen zwar Lärm und Umweltzzerstörung, aber wir bieten dafür attraktive Aktien zum Ausgleich.

Mit anderen Worten: Eine zunehmend widerspenstige Region soll gekauft werden. So jedenfalls kann das Angebot des neuen Börsenteilnehmers Fraport AG an die Bewohner in und um die hessische Metropole Frankfurt am Main gewertet werden, eine bevorzugte Behandlung bei der Ausgabe von 22,7 Millionen Aktien zu erfahren.

Hintergrund der ungewöhnlichen Aktion ist der Kapitalhunger des mit Abstand größten deutschen Flughafens und internationalen Drehkreuzes. Denn wegen des steigenden Luftverkehrsaufkommens soll der stadtnahe Flughafen um eine weitere Landebahn vergrößert werden. Dagegen laufen immer mehr Bürgerinitiativen in der Rhein-Main-Region Sturm. Schon jetzt ist die Belastung in einzelnen Gemeinden wie Neu-Isenburg oder Offenbach, aber auch den südlichen Stadtteilen Frankfurts kaum erträglich für viele Bewohner. Nach einer Erweiterung droht die völlige Verlärmung weiter Teile der Region. Dessenungeachtet hat die CDU/FDP-Landesregierung in Wiesbaden mit Unterstützung der oppositionellen SPD den Ausbau weiter fest im Visier.

Der Grund für diese politische Festlegung ist einfach: Die Besitzverhältnisse am Flughafen stellen ein Stück DDR mitten im wiedervereinten Deutschland dar. Denn bis zum Börsengang der Fraport AG gehörte der größte Arbeitgeber der Region ausschließlich drei Aktionären: der Stadt Frankfurt, dem Land Hessen und dem Bund, war also sozusagen ein "volkseigenes" Unternehmen. Grundsätzlich wird auch der Börsengang daran nichts ändern, denn die drei Hauptaktionäre werden auch künftig die absolute Mehrheit der Anteile behalten. Und auch künftig wird der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) Vorsitzender des Aufsichtsrates bleiben – eine im Grunde höchste anstößige Ämterverknüpfung. Doch schon lange dient die frühere Flughafen AG den Politikern der "Volksparteien" SPD und CDU in Hessen als Melkkuh und Versorgungsmöglichkeit für abgehalfterte Parteifreunde.

Die Ausbaugegner werden durch den Börsengang vor ein heikles Dilemma gestellt: Sollen sie Aktien erwerben, um ihren Protest auch in die Aktionärsversammlungen bringen zu können? Der Preis dafür ist die Stärkung der Finanzkraft der Fraport AG ausgerechnet durch jene, denen an dieser Stärkung am wenigsten liegt. Vordringlich gilt das Lockangebot des neuen Börsengängers aber den Bewohnern der Region. Zweifellos profitieren Frankfurt und sein Umland in vieler Weise vom Flughafen, zweifellos leiden aber immer mehr Menschen auch an dem zunehmenden Fluglärm, dazu werden seit Jahrzehnten wichtige Waldflächen dem stetigen Wachstum des "volkseigenen" Molochs geopfert.

Der Konflikt um den neuerlichen Ausbau stellt die politischen Befürworter bei SPD, CDU und FDP vor die schwierige Frage, wie eine Maßnahme an die Bevölkerung "verkauft" und durchgesetzt werden kann, die gerade von dem wachsenden Teil der lärmbetroffenen Anwohner nicht mehr akzeptiert wird. Da es auf diese Frage keine glaubwürdige Antwort gibt, wird seit Jahren von den verantwortlichen Politikern jeder Couleur getrickst, getäuscht und mit vielen Zungen geredet. Forderungen, etwa vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), die Grenzwerte für Fluglärm zu senken, Lärmschutzzonen auszuweiten oder ein generelles Nachtflugverbot zu verhängen, werden auch von der SPD nur in Sonntagsreden noch unterstützt.

Aber auch die Bevölkerung reagiert durchaus zwiespältig: Fliegen will fast jeder, der Flughafen wird als wichtiger Wohlstandsfaktor der Region geschätzt, seine Bedeutung in Gefahr bringen will kaum jemand, noch nicht einmal die Ausbaugegner. Das weiß auch die Fraport AG, wenn sie Lärm bringt und Aktien bietet.


 
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