© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/01 15. Juni 2001

 
Eine Republik auf dem Königsweg
Bulgarien: Die Bewegung von Zar Simeon II. könnte die Wahl am 17. Juni gewinnen
Volker König

Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks traten in nahezu allen südosteuropäischen Länder die früheren Monarchen bzw. deren Nachfahren wieder auf den Plan. Anders aber als König Michael von Rumänien, der sich politischer Betätigung enthält oder der nicht unumstrittene albanische Kronprinz Zogu II. genießt der aus dem Hause Sachsen-Coburg-Gotha stammende bulgarische Zar Simeon II., der 1943 bis 1946 Souverän des Balkanstaates war, unumschränkte Sympathien im Volke.

Wählen können die Bulgaren am kommenden Sonntag den Zaren zwar immer noch nicht, wohl aber jetzt dessen Partei. Mit seiner zu Ostern aus der Taufe gehobenen "Nationalbewegung Simeon II" (NMS) hat der bislang im spanischen Exil lebende Monarch, der erst Anfang April nach Sofia in seinen Palast zurückkehren konnte, die politische Szenerie des Balkanstaates binnen kürzester Zeit durcheinandergewirbelt. In Umfragen wird der königlichen Bewegung – das Wort Partei wurde bewußt vermieden – mindestens der zweite Platz unter den kandidierenden Listen prognostiziert. Eine kürzlich vom Gallup-Institut veröffentlichte Umfrage erbrachte sogar sensationelle 36 Prozent für die Zarenbewegung. Die regierende liberal-konservative Union der Demokratischen Kräfte (ODS) wäre demnach mit 16 Prozent ebenso abgeschlagen wie die postkommunistischen Sozialisten mit 15 Prozent.

Bei den zurückliegenden Parlamentswahlen im Jahr 1997 hatte bereits die monarchistische "Föderation des Königreiches Bulgarien" im Wahlbündnis mit der Nationalitätenpartei der türkischen Minderheit und den bulgarischen Grünen kandidiert. Diese "Vereinigung zur nationalen Rettung" (ONS) brachte es auf 7,5 Prozent, womit sie die in Bulgarien geltende Vier-Prozent-Hürde überwinden und 19 Abgeordnete ins Parlament entsenden konnte. Die kleine Monarchistenpartei warb damals mit dem Konterfei des Zaren, ohne jedoch dessen dezidierte Unterstützung zu erlangen.

Diesmal treten die Königstreuen in breiter Phalanx an. Eine besondere Eigentümlichkeit der "Nationalbewegung Simeon II." ist, daß ihre Satzung als einziges Leitungsorgan den sogenannten "Führer" kennt, der allein über alles entscheidet, was die Bewegung zu tun beabsichtigt. Hierin ist sehr deutlich die Fixierung auf den Zaren als zentrale Leitfigur zu erkennen, auch wenn der 63jährige Simeon Borissow Koburggotski – unter diesem Namen ist er in den Registrierungsdokumenten der Nationalbewegung verzeichnet – in Fernsehinterviews bislang der Frage nach der Restauration der Monarchie ausgewichen ist.

In seinem Wahlkampfaufruf hatte Simeon II. eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik angekündigt. Unter seiner Regierung würden kleine und mittlere Betriebe erleichterten Zugang zu Krediten erhalten und ausländisches Kapital angelockt werden. Dies gelte insbesondere für die südbulgarische Region Thrakien, wo es zollfreie Abfertigung geben sollte, um türkische und griechische Investoren anzuziehen. Beim Staatsapparat müsse der Rotstift angesetzt und Steuerhinterziehung sowie Kapitalflucht mit "strengen Strafen" geahndet werden. "Mein Ziel ist es, den Lebensstandard von jedem Bulgaren ohne Rücksicht auf seine ethnischer Herkunft zu verbessern", umschrieb der Zar sein Credo.

Daß sich unter den Kandidaten der NMS neben angesehenen Honoratioren aus dem Kulturleben auch eine schillernde Persönlichkeit wie der Illusionist Astor befindet, der vorzugsweise mit dem eigenen Kopf unter dem Arm über Bühnen spaziert, veranlaßte Spötter dazu, diesen Mann als künftigen Finanzminister vorzuschlagen. Vor allem aber werfen Kritiker der politischen Ambitionen des bulgarischen Zaren dem Monarchen vor, Populismus in einem Land mit mehr als 20 Prozent Arbeitslosigkeit und weit verbreiteter Korruption zu schüren. Seine Bewegung bleibe in ihren programmatischen Aussagen diffus und unverbindlich und beschränke sich darauf, die nationale Einigkeit zu beschwören. Unklarheit herrsche auch über die eigentlichen Absichten des Exil-Monarchen. Auf die Frage, ob er im Falle des Wahlsiegs seiner Bewegung den bulgarischen Königsthron besteigen werde, vermeidet Zar Simeon klare Antworten. Kurz- und mittelfristig hält er Aufgaben wie die wirtschaftliche und soziale Gesundung des Landes für wichtiger als die Restauration der Monarchie. Andererseits antwortete er auf die Frage des Magazins profil, ob er der König dieses Landes sei, in legitimistischer Offenheit: "Das bin ich seit über 50 Jahren. Ich kann nicht einfach verschwinden und nur als Simeon Borissow wieder auftauchen."

Sollte Bulgarien nach einem halben Jahrhundert KP-Diktatur und einem Jahrzehnt diffuser Orientierungslosigkeit den Weg zurück zum Königtum finden, so hätte dies sicherlich den Charakter eines Fanals für die Nachbarländer. Sowohl in Rumänien als auch in Serbien, Montenegro und Albanien gibt es starke monarchistische Sehnsüchte, denn aller kommunistischen Indoktrination zum Trotz gelten die Fürsten in der Bevölkerung als Garanten von Frieden, Wohlstand und nationaler Einigkeit. Und es spricht einiges dafür, daß nach dem 17. Juni diese Sehnsüchte kräftigen Auftrieb erhalten können.


 
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