© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/01 15. Juni 2001

 
Den Alltag vor 1989 lebendig gemacht
Ausstellung: "Der Eiserne Vorhang" im Wiener Heeresgeschichtlichen Museum
Carl Gustaf Ströhm

Das Wiener Heeresgeschichtliche Museum, etwas abseits der üblichen Touristenpfade im ehemaligen "Arsenal" unweit des Südbahnhofs gelegen, ist für jeden geschichtlich und politisch Interessierten eine Fundgrube. Hier wird in zumeist beachtlicher Objektivität die militärische Geschichte Österreichs vom Dreißigjährigen Krieg bis zu den Türkenkriegen Prinz Eugens, von der Türkenbelagerung bis zum Mord von Sarajevo 1914 dargestellt. Der blutbefleckte Waffenrock des von serbischen Attentätern ermordeten Thronfolgers Franz Ferdinand ist ebenso zu sehen wie das von einer Kugel durchlöcherte Auto, mit dem der Erzherzog und seine Frau am 28. Juni 1914 in den Tod fuhren – ein Tod, der den Ersten Weltkrieg auslösen sollte.

Jetzt veranstaltet das Museum gemeinsam mit dem Militärhistorischen Museum Budapest bis zum 29. Juli eine Sonderausstellung "Der Eiserne Vorhang". In der Eingangshalle finden sich zahlreiche Exponate: Reste des einstigen Stacheldrahtverhaus samt Wachttürmen, die jahrzehntelang das Bild an der österreichischen Nord- und Ostgrenze bestimmten. Der "Eiserne Vorhang" gegenüber Österreich war vielleicht nicht ganz so spektakulär wie die Mauer in Berlin, aber er war ebenso brutal und hat ebenso menschliches Leben zerstört. Die Ausstellung ruft dramatische Ereignisse in Erinnerung: den österreichischen Staatsvertrag 1955, der zum ersten Mal seit 1945 zum Rückzug der Sowjetarmee aus einem von ihr eroberten Gebiet – Ost-Österreich – führte. Damit blieb den Niederösterreichern und Burgenländern das Schicksal der Ungarn, Tschechen, Slowaken aber auch der Mitteldeutschen erspart, die auf Jahrzehnte hinter dem Eisernen Vorhang verschwanden.

Dokumentiert wird die ungarische Revolution 1956 gegen die kommunistisch-sowjetische Herrschaft, dann der Einmarsch der Sowjettruppen in der damaligen Tschechoslowakei zwölf Jahre später, 1968. Der Alltag am "Eisernen Vorhang" wird lebendig – bis hin zu einem als Fluchtfahrzeug benutzten Trabi. Am Ende wird der Fall des Eisernen Vorhangs gezeigt: der "Durchbruch" Hunderter von DDR-Bürgern beim "Pan-Europa-Picknick" von Sopron (Ödenburg) durch den Eisernen Vorhang nach Österreich und im Juni des gleichen Jahres das symbolische Zerschneiden des Stacheldrahtverhaus an der Grenze durch die österreichischen und ungarischen Außenminister. Österreicher und Ungarn haben im entscheidenden Jahr 1989 durch die Zerschneidung des Eisernen Vorhangs unzähligen Deutschen in der DDR die Flucht ermöglicht. Es ist kaum übertrieben, wenn man feststellt, daß der Fall der Berliner Mauer im Sommer 1989 – ein halbes Jahr, bevor es in Berlin soweit war – im Grenzgebiet zwischen Österreich und Ungarn begann.

Für die hinter dem kommunistischen "Vorhang" lebenden Völker aber wurde Österreich seit den sechziger Jahren zum Inbegriff des "goldenen Westens" und westlicher Freiheit. Auch diese Schaufensterrolle Österreichs tritt in der Ausstellung zutage. Eindrucksvoll ist vor allem eines der damals vielen Schilder, die zur Beruhigung flüchtender DDR-Bewohner knapp an der österreichischen "grünen Grenze" aufgestellt wurden: "Sie sind in Österreich! Keine Gefahr mehr! Wir helfen!" Diese Hilfsbereitschaft der österreichischen Grenzbevölkerung war in der Tat bemerkenswert – sowohl 1956 den flüchtenden Ungarn wie 1989 den flüchtenden DDR-Deutschen gegenüber.

 

Die Ausstellung "Der Eiserne Vorhang" ist bis zum 29 Juli im Heeresgeschichtlichen Museum zu sehen. Öffnungszeiten: Täglich außer freitags von 9 bis 17 Uhr. Info: 0043 / 1 / 79561


 
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