© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/01 22. Juni 2001


Zarenwahl
von Jörg Fischer

Als die EU Anfang des Jahres die Visapflicht für Bulgaren aufhob, galt das als "Belohnung" für den Kurs der rechten ODS unter Premier Kostow: 70 Prozent der Wirtschaft sind privatisiert, die Inflation sank auf elf Prozent, und das Wirtschaftswachstum stieg auf 5,5 Prozent. Wer daher im Frühjahr diesen Jahres von einer erfolgreichen Rückkehr des Zaren Simeon II. sprach, wurde bestenfalls belächelt.

Warum sollten die Bulgaren am 17. Juni für seine "Nationale Bewegung" stimmen, die versprach, binnen 800 Tagen den Durchschnittslohn von 250 Mark zu verdoppeln? Doch das Land gehört zu den ärmsten EU-Kandidaten, ein Fünftel ist arbeitslos, die Rentner sind verarmt, Polizei- und Staatsapparat sind korrupt – daher stimmten 43 Prozent für den 64jährigen und bescherten seiner Bewegung die Hälfte der Parlamentssitze. Die ODS und die bis 1997 herrschenden Ex-Kommunisten wurden mit jeweils unter 20 Prozent abgestraft.

Zusammen mit der türkischen DPS (6,8 Prozent) könnte die Zarenpartei nun bequem regieren. Doch solange der "Westen" dem bitterarmen Land nicht mehr hilft, kann auch der aus Spanien heimgekehrte "Heiland" wenig ausrichten. Aber Simeon II. hat in seinem Exil erlebt, wie hilfreich eine "königliche Hoheit" sein kann – ohne Juan Carlos I. wäre der Übergang von der Franco-Zeit zu einer europäischen Demokratie wohl konfliktreicher verlaufen. Wenn sich das Land auf seine potentiellen Stärken – Tourismus und qualifizierte Akademiker – konzentriert, könnte, mit deutscher Hilfe, ein kleines Spanien wachsen.


 
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