© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/01 22. Juni 2001

 
"Es wird mit persönlicher Diffamierung gearbeitet"
Zweiter Weltkrieg: Neue Erkenntnisse zum 60. Jahrestag des "Unternehmen Barbarossa"
Klaus Ulrich Hammel

Am 22. Juni jährt sich zum 60. Male die Wiederkehr des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion. Wenn wir uns das publizistische Echo zum 50. Jahrestag im Jahre 1991, noch mehr aber zum 50. Jahrestag des Kriegsendes in Europa im Jahre 1995 vor Augen halten und die eingefahrenen Gleise bedenken, in denen sich die durch ihre Interpreten selbst so bezeichnete "emanzipatorische Geschichtsschreibung" bewegt, dann ist trotz der nach 1990 auch in der ehemaligen Sowjetunion eingeleiteten Entwicklungen zur Aufarbeitung der eigenen Geschichte und der inzwischen vorliegenden Erkenntnisse Skepsis angebracht, ob die geistige Freiheit dazu reicht, von den bisherigen pauschalen Urteilen abzuweichen.

Seit längerer Zeit gibt es vor allem in Deutschland den sogenannten "Präventivkriegs- oder Revisionismusstreit", nach 1990 ergänzt bzw. erweitert durch den "russischen Historikerstreit", bei dem es – verkürzt – darum geht, ob eine auf Frieden ausgerichtete Sowjetunion unvorbereitet entweder durch Hitler-Deutschland überfallen wurde, im Rahmen einer Präventivplanung Gegenmaßnahmen angesichts des bevorstehenden Angriffs eingeleitet hatte oder gar gleichzeitig eigene Angriffsabsichten gegenüber dem Deutschen Reich verfolgte.

Über ein Jahr ist nun ein Buch auf dem Markt, in dem der renommierte österreichische Historiker Heinz Magenheimer (Lehrer an der Landesverteidigungsakademie in Wien, Universitätsdozent an der Universität Salzburg), gestützt auf die Auswertung mittlerweile verfügbarer sowjetischer Quellen, mit Schwerpunkt die Grundzüge sowjetischer Politik ab 1939 und die Angriffsplanungen der Sowjetunion untersucht und bewertet.

Im Gegensatz zum Buch des Anti-Revisionisten Gabriel Gorodetsky, "Grand Delusion: Stalin and the German Invasion of Russia" – 1999 veröffentlicht, mittlerweile in deutscher Übersetzung mit dem Titel "Die große Täuschung" vorliegend und mit geradezu peinlich wohlwollenden Kritiken bedacht –, wurde das Buch Magenheimers "Entscheidungskampf 1941. Sowjetische Kriegsvorbereitungen, Aufmarsch, Zusammenstoß" in den Feuilletons der größeren, überregionalen Blätter, wie FAZ oder SZ, totgeschwiegen.

Kein ausdrücklicher Befehl Stalins zum Angriff

Die Thesen Magenheimers, die er nun, wie ausgeführt, anhand sowjetischer Quellen und der Publikationen russischer Historiker seit 1990 absichert und bestätigt, sind folgende:

– Kommunistische Ideologie (zwangsläufige Konfrontation mit dem Kapitalismus, offensive Durchsetzung der mit der sozialistischen Revolution verbundenen politischen Ziele), Aufbau der Roten Armee sowie der Ausbau ihrer Offensivkapazitäten, politische Handlungsmaximen sowie vorliegende militärische Planungen stimmen überein und beweisen eine geschlossene und in sich logische Absicht.

– Stalin war sich darüber im klaren, daß der Abschluß des Ribbentrop-Molotow-Paktes vom August 1939 Hitler den Angriff auf Polen ermöglichte und zwangsläufig zur Auseinandersetzung mit den Westmächten (sukzessive Erweiterung zum ZweitenWeltkrieg) führen mußte. Umgekehrt wäre es im Interesse einer friedliebenden Politik der Sowjetunion gelegen, durch den Abschluß einer französisch-britisch-sowjetischen Allianz Hitler in die Schranken zu weisen.

– Vier militärstrategisch offensive Kriegsplanungen auf seiten der Sowjetunion, die aufeinander aufbauen, sind dokumentarisch belegt (russisches Schrifttum, Walter Post "Unternehmen Barbarossa", Ueberschär/Bezymenski "Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion").

– Statt der bisher angenommenen vor allem ideologisch begründeten Angriffsabsichten beider Seiten waren vorwiegend realpolitische Beweggründe ausschlaggebend.

– Zielsetzungen und zeitlicher Ablauf der Angriffsvorbereitungen sowie die Durchführung des Aufmarschs lassen weder auf deutscher noch auf sowjetischer Seite präventive Absichten erkennen, das heißt die jeweiligen Kriegsvorbereitungen beruhen nicht auf der Kenntnis der Angriffsplanungen der Gegenseite.

– Der erreichte Stand im Aufmarsch auf sowjetischer Seite am 22. Juni 1941, dem Beginn des deutschen Angriffs, entspricht bis auf geringfügige Abweichungen dem letzten Offensivplan vom 15. Mai 1941, der angeblich nicht von Stalin genehmigt worden ist.

– Dieser tatsächliche Stand des sowjetischen Aufmarschs und der nötige Zeitvorlauf sprechen aber dagegen, daß erst der Offensivplan vom 15. Mai der Auslöser hierfür war. Dazu waren militärische Vorbereitungen erforderlich, die weit in das Jahr 1940 zurückreichen mußten. Als solche müssen sie auch politisch abgesegnet gewesen sein.

– Als Zusammenfassung der vorangegangenen Punkte ist davon auszugehen, daß beide Diktatoren zeitlich synchron nebeneinander einen Angriff vorbereitet haben, mit dessen Beginn das Deutsche Reich der Sowjetunion nur zuvorgekommen ist.

Ein ausdrücklicher Befehl Stalins zum Angriff konnte bisher nicht dokumentiert werden, dennoch lassen die Fakten keinen vernünftigen Zweifel an der oben stehenden Aussage zu. Aus dem Zustand der Roten Armee in ihrer Angriffsaufstellung (u.a. Unterbringung der Truppe feldmäßig, Auslagerung von Versorgungsgütern noch feindwärts vor den Angriffsverbänden im offenen Gelände, Überbelegung der frontnahen Flugplätze für die Luftstreitkräfte) läßt den Schluß zu, daß der sowjetische Angriff noch vor dem Herbst 1941 vorgesehen war, da die Truppe im Winter nicht in der beschriebenen Aufstellung verbleiben konnte.

In ihrem Bestreben, den zwangsläufig zu erwartenden Diffamierungen der politisch korrekten Geschichtswissenschaftler ein sachlich fundiertes Beweisgerüst gegenüberzustellen, haben sich Historiker der revisionistischen Richtung – dazu gehören Werner Maser, Ernst Topitsch, Joachim Hoffmann, Walter Post, Heinz Magenheimer oder François Furet ebenso wie neuerdings auf russischer Seite Valerij Danilow oder Jurij Afanassijev – darauf eingelassen, mit "Beweisen" unterschiedlicher Wertigkeit zu arbeiten.

Dabei sind gehaltene oder nicht gehaltene Reden Stalins (siehe zum Beispiel die Rede vom 19. September 1939 vor dem Politbüro/Vertretern des Komintern bzw. die Rede vom 15. Mai 1941 vor Absolventen der Militärakademie) oder Einschätzungen über die Angriffsfähigkeit der Roten Armee aufgrund der vorangegangenen "Säuberungen" im Führerkorps gegenstandslos, wenn wir uns auf die tatsächliche Sachlage konzentrieren.

Der sowjetische Angriffsplan vom 15. Mai 1941 ist eine Fortentwicklung des Angriffsplans vom 18. September 1940, mit einer eindeutigen Verstärkung des Angriffsschwerpunkts südlich von Brest-Litowsk aus dem Frontbogen von Lemberg heraus.

Absicht der sowjetischen Südwestfront (122 Divisionen, ca. 5.500 Kampfpanzer, d.h. fast doppelt so viele wie die Anzahl, über die das gesamte deutsche Ostheer verfügte) war es dabei, unterstützt durch Teile der Westfront, bis zum 30. Angriffstag die deutsche Heeresgruppe Süd und Teile der Heeresgruppe Mitte zu zerschlagen und die Linie Olmütz – Oppeln (Schlesien) – Ostrolenka (nördlich Warschau) einzunehmen. Danach sollte durch einen weiteren Vorstoß in Richtung Pommern – Ostseeküste im Raum Danzig die in Polen und Ostpreußen stehende Masse des deutschen Ostheeres eingeschlossen werden.

Das Angriffsdispositiv der Roten Armee war planerisch von 176 Divisionen (September 1940) auf 258 Divisionen (Mai 1941) gesteigert worden und umfaßte am 22. Juni 1941 tatsächlich ca. 240 Divisionen. Die Abweichungen sind auf Verzögerungen im Aufmarsch zurückzuführen.

Die Kräftekonzentrationen der Roten Armee in den weit vorspringenden Frontbogen von Bialystok und Lemberg – dort war die Masse der mechanisierten Korps aufmarschiert – sind nur mit eigenen Angriffsabsichten erklärbar. Wären sie Bestandteil einer Defensivaufstellung, dann müßte den sowjetischen militärischen Planern – an der Spitze den späteren Marschälle Schukow, Watutin und Wassilewskij – Unfähigkeit und Stümperei unterstellt werden, Mängel, die im absoluten Gegensatz zu ihren später gezeigten Fähigkeiten stehen. Die in diesen Frontbögen konzentrierten Kräfte wurden weitgehend schon in den Grenzschlachten umfaßt und zerschlagen.

Die trotz einer erheblichen zahlenmäßigen Unterlegenheit erzielten Erfolge der Wehrmacht bis in den Winter 1941 hinein beruhen nicht allein auf deutscher Führungskunst, sondern auf dieser Angriffsaufstellung, deren Aufmarsch noch nicht beendet war, und auch auf der zeitlichen Überraschung der sowjetischen Führung auf taktischer Ebene durch den Beginn des deutschen Angriffs. In Form eines Katarakt-Effekts stürzte die Rote Armee von einer Niederlage in die nächste.

Sowjetunion zählte zu den Aggressorstaaten

Schließlich ist die noch heute vorgebrachte Behauptung, Stalin habe den Operationsentwurf vom 15. Mai 1941 nicht gebilligt oder sogar verworfen, spätestens seit der Leserzuschrift von zwei sowjetischen Militärwissenschaftlern an die ÖMZ (s. ÖMZ 1/95) nicht mehr zu halten. Stalin hat diesen Operationsentwurf zur Kenntnis genommen, mit seiner Paraphe abgezeichnet und damit gebilligt. Immerhin stimmen die nachfolgenden Aufmarschanweisungen an die Befehlshaber der westlichen Militärbezirke (später Fronten = Heeresgruppen) mit dem Operationsentwurf vom 15. Mai überein. Wer will annehmen, daß Schukow, der Generalstabschef der Roten Armee, unter den damaligen Verhältnissen in der Sowjetunion solche Befehle ohne die Zustimmung Stalins gewagt hätte?

Es wurde bereits erwähnt, daß von seiten der Anti-Revisionisten im anstehenden Präventivkriegs- bzw. Revisionismusstreit eher mit persönlichen Diffamierungen und moralischen Werturteilen gearbeitet wurde als mit sachlichen Argumenten. Sofern eine sachliche Widerlegung überhaupt versucht wurde, wurden unwiderlegbare Fakten uminterpretiert oder in falsche Zusammenhänge gebracht, nicht passende neue Erkenntnisse beiseite geschoben oder unzutreffende Behauptungen aufgestellt. Keiner der erwähnten Revisionisten behauptet beispielsweise, das Deutsche Reich habe einen Präventivkrieg aufgrund erkannter sowjetischer Angriffsvorbereitungen geführt.

Als ein geradezu abenteuerliches Beispiel soll Gabriel Gorodetsky angeführt werden. Auf der Seite 290 der englischen Ausgabe seines Buches zeigt er eine Skizze der beiderseitigen Kräfteaufstellungen. Die sowjetische Aufstellung ist dabei identisch mit den Graphiken Magenheimers, mit denen dieser das auf dem Plan vom 15. Mai beruhende Angriffsdispositiv der Roten Armee beweist. Die Bilderläuterungen bei Gorodetsky reichen beinahe an eine Fälschung heran. Die Truppen in den erwähnten Frontbögen nehmen bei ihm Stellungen im Rahmen einer "Russischen Vorwärtsverteidigung" ein, die Bewegungsrichtungen der aufmarschierenden 2. Strategischen Staffel werden zu einem geplanten "strategischen Gegenangriff" umbenannt und damit unterstellt, ein solcher sei gegen auf sowjetisches Territorium vorgestoßene deutsche Kräfte vorgesehen gewesen. Im Schlußkapitel seines Buches "Grand Delusion" beharrt er nicht nur darauf, Stalin habe den Operationsentwurf vom 15. Mai nie paraphiert, sondern behauptet auch, Schukow habe am "folgenden Tage" eine "zweite Weisung" für einen Defensivaufmarsch herausgegeben, der mit geringfügigen Änderungen bis zum 22. Juni in Kraft geblieben sei. Ein solcher Defensivaufmarsch wurde indes bisher nicht dokumentiert.

Obwohl also der dem Operationsentwurf vom 15. Mai zugrunde liegende Angriffsplan angeblich nie in Kraft gesetzt wurde, verteidigt ihn Gorodetsky vehement und ist sich dabei seiner Unlogik wohl gar nicht bewußt. Während er einerseits feststellt, "Der Anfangserfolg würde den Weg bereiten für erfolgreiche Einschließungsschlachten gegen die südlichen und nördlichen Flanken des deutschen Heeres", schreibt er an anderer Stelle, die Planung Schukows war "ein wohl definierter und begrenzter Schlag, tief in den Rücken der deutschen Kräftekonzentration. Dieser war nicht gedacht als Sprungbrett zur Einnahme Mitteleuropas, dagegen als eine begrenzte Operation die deutschen Kräfteaufstellungen aufreißend und daher von defensiver Natur".

Welche Handlungsalternativen wären dem Deutschen Reich noch verblieben, um nach "erfolgreichen Einschließungsschlachten" der Gegenseite einen weiteren Vorstoß der Roten Armee nach Mitteleuropa zu verhindern? Will Gorodetsky behaupten – in Kenntnis des tatsächlichen Verhaltens Stalins bei der Besetzung Osteuropas ab 1945 –, dieser hätte sich 1941 eine solche Gelegenheit entgehen lassen?

Der Revisionismusstreit, der den Charakter einer ideologischen bzw. geschichtspolitischen Auseinandersetzung angenommen hat, ist nur zu verstehen, im Bewußtsein der vielfältigen Folgerungen, die mit der Anerkennung der Forschungsergebnisse der revisionistischen Geschichtswissenschaftler verbunden wären.

Vordergründig gesehen wäre als erstes der wissenschaftliche Ruf der Historiker in Frage zu stellen, die jahrelang trotz revidierter Forschungsergebnisse eine Mitschuld der Sowjetunion an der Entstehung des deutsch-sowjetischen Krieges zurückgewiesen haben. Dies dürfte die größte Barriere darstellen, da nicht nur sachliche Irrtümer einzugestehen wären, sondern polemische und diffamierende Kategorisierungen des "wissenschaftlichen Gegners" auf die zurückfielen, die sie vorgenommen haben.

Die Sowjetunion wäre als einer der Aggressorstaaten des Zweiten Weltkrieges einzuordnen. In Verbindung mit den brutalen und unmenschlichen Forderungen, die Stalin der eigenen Bevölkerung und den eigenen Streitkräften auferlegte, und seiner rücksichtslosen Eroberungspolitik ab 1944 müßte der Mythos des antifaschistischen Kampfes und der Beitrag zur Niederwerfung des Nationalsozialismus in sich zusammenfallen. Die durch den Verlust der Machtposition als Siegerstaat des Zweiten Weltkrieges verursachte Identitätskrise in Rußland würde durch die Sinnfrage nach den ungeheuren personellen und materiellen Opfern, die die Sowjetunion durch den Krieg zu tragen hatte, verstärkt. Überzogenen Forderungen heutiger russischer Politiker, die durch den Krieg errungene Vormachtstellung wieder einzunehmen, wäre in gewisser Weise der Boden entzogen.

Die in der historischen Fachwelt andauernde Diskussion, mit welcher Militärstrategie Hitler 1940 den Krieg hätte fortsetzen sollen, wäre zu beenden.

Vor Hitler mag seinerzeit das militärstrategische Dilemma gestanden haben, entweder durch eine strategische Schwerpunktverlagerung in den Mittelmeerraum Großbritannien als Kriegsgegner auszuschalten oder durch die Schaffung von "Lebensraum" im Osten Blockadesicherheit angesichts des angenommenen Kriegseintritts der USA an der Seite der Kriegsgegner zu gewinnen.

Ein tatsächlicher Angriff der Sowjetunion im Sommer 1941 hätte deutlich gemacht, daß eine solche Alternative gar nicht bestand. Dies ist natürlich eine Erkenntnis aus heutiger Sicht. Wir können vermuten, daß die Wehrmacht 1941 angesichts des eigenen Aufmarschs an der deutsch-russischen Grenze – auf dem Höhepunkt ihres Leistungsvermögens – trotz unvermeidbarer Raumverluste in der Lage gewesen wäre, den mit zahlenmäßiger Überlegenheit geführten Angriff der Sowjetunion aufzufangen. Bei einer räumlichen Verlegung des Schwerpunktes in den Mittelmeerraum oder den Nahen Osten und dem damit verbundenen Abzug von Kräften mußte ein dann quasi in den Rücken geführter sowjetischer Angriff aber katastrophale Folgen nach sich ziehen.

Eingeständnis der Schuld zur Staatsräson geworden

Bereits unter der Berücksichtigung der Gegebenheiten der damaligen Zeit ist die Frage zu stellen, warum es moralisch vertretbar war, zur Ausschaltung des Unrechtssystems des Nationalsozialismus eine Koalition mit dem Unrechtssystem Stalins einzugehen. Die Zustände im Inneren der Sowjetunion waren im Westen bekannt, Stalin hatte mit der Besetzung Ostpolens, der baltischen Staaten, der Nordbukowina und Bessarabiens sowie mit dem russisch-finnischen Krieg 1939/40 eindrucksvolle Beispiele seiner politischen Absichten gegeben. Folglich kann es beim Einbeziehen der Sowjetunion in die Koalition gegen Hitler nicht um moralische, sondern in erster Linie nur um machtpolitische Beweggründe gegangen sein.

Wenn aber der Glanz des antifaschistischen Kampfes noch heute die Untaten des stalinistischen Systems überdeckt und alle Versuche zurückgewiesen werden, die Rolle der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg zutreffend darzustellen, dann muß eine heutige Ursachenbewertung vorgenommen werden.

Insbesondere die westdeutsche Geschichtsschreibung hat einen inneren Zusammenhang der mit dem Rußlandfeldzug verbundenen expansiven machtpolitischen Ziele und dem Holocaust hergestellt: "Insofern ist der ... plan- und fabrikmäßige Mord an über fünf Millionen europäischer Juden ... Bestandteil der deutschen Kriegführung im Zweiten Weltkrieg" (Ueberschär/Bezymenski, "Der deutsche Angriff").

Die neben dem Holocaust auf dem angeblich von vornherein geplanten Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion beruhenden Schuldeingeständnisse sind zur Staatsräson und zur Meßlatte deutschen politischen Handelns geworden. Alleine eine Relativierung der Alleinschuld Deutschlands am Entstehen des deutsch-sowjetischen Krieges rührt daher am auferlegten Selbstverständnis der deutschen Bevölkerung. Ein wirklich tragendes, in die Zukunft weisendes Staatsverständnis müßte an seiner Stelle entwickelt werden. Vormarsch Sommer 1941: Deutsche Soldaten der Angriffsspitze stürmen die Stadt Radziechow

 

Klaus Ulrich Hammel (61), Oberst i. G. a. D., war zuletzt Chef des Stabes des Wehrbereichskommandos VI/1Gebirgsdivision. Er lebt als freier Publizist in München.


 
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