© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/01 22. Juni 2001

 
UMWELT
Gesundschrumpfung statt sterbendes Volk
Volker Kempf

Das waren noch Zeiten, als die industrielle Revolution eine explosionsartige Bevölkerungszunahme in Deutschland mit sich brachte. Es entstand der Generationenvertrag mit einem tragfähigen Rentensystem. Doch das deutsche Volk weist seit Jahrzehnten eine nur noch geringe Geburtenrate aus: Das gute alte Rentensystem kann nicht einfach fortgeschrieben werden. Im Verhältnis müssen immer mehr und immer älter werdende Rentner durch immer weniger junge Menschen versorgt werden. Deutsche sollen deshalb wieder vermehrt dazu gebracht werden, Kinder zu bekommen, was nur bedingt durch staatliche Förderung erwirkt werden kann. Also schreien viele nach Zuwanderung.

Einmal davon abgesehen, daß besser ausgebildete und länger im Berufsleben stehende Menschen dem Problem entgegenwirken könnten, greifen Geburtenförderung und Zuwanderung zu kurz und drücken vor allem Ängste aus. Es handelt sich um die Angst vor dem Ende eines bequemen Rentensystems, aber auch die Angst, zu Fremden im eigenen Land zu werden. Ökologisch gesehen erscheint es am vernünftigsten, in der nunmehr abnehmenden Zahl der Geburten in diesem Land kein sterbendes Volk zu erblicken, sondern eine Gesundschrumpfung. Weniger Menschen bedeuten einen geringeren Energie- und Rohstoffverbrauch, eine Abnahme des Fleischverbrauchs und damit eine wichtige Voraussetzung einer flächendeckenden ökologischen Landwirtschaft. Straßen und Autos überziehen nicht immer mehr, sondern immer weniger das Land; Flughäfen brauchen nicht ausgebaut zu werden. Es ist also kein Drama, wenn das deutsche Volk kleiner wird, im Gegenteil. Das sollte man weder durch mehr Babys hierzulande noch durch Zuwanderung kompensieren wollen.


 
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