© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/01 29. Juni 2001

 
Konrad Weiß
Idealistischer Aussteiger
von Christian Vollradt

Mit dem am 18. Juni erfolgten Parteiaustritt von Konrad Weiß, Abgeordneter der ersten frei gewählten Volkskammer und des ersten gesamtdeutschen Bundestages, ist der Bestandteil "Bündnis 90" des grünen Parteinamens ein weiteres Mal delegitimiert worden. Die Partei heuchelt jetzt Bedauern, was wohl mehr der Prominenz der Person als ihrem Anliegen geschuldet ist. Der Konnex zwischen Alternativen aus den alten Bundesländern und mitteldeutschen Bürgerrechtlern wirkt schon seit geraumer Zeit absurd, da erstens die Grünen in Mitteldeutschland kein parlamentarisches Mandat mehr haben und zweitens innerhalb der Parteiführung die Reihen rein westdeutsch geschlossen sind.

Der gebürtige Schlesier Weiß, Jahrgang 1942, gehörte im September 1989 zu den Gründern der DDR-Oppositionsgruppe "Demokratie Jetzt", die sich mit dem "Neuen Forum" und der "Initiative für Frieden und Menschenrechte" 1990 zum "Bündnis 90" zusammenschloß. Zunächst als Elektromonteur in Magdeburg tätig, holte Weiß sein Abitur nach und studierte an der Filmhochschule in Babelsberg. Dort wirkte er bis 1989 zwanzig Jahre lang als Regisseur der DEFA-Dokumentarfilmabteilung und nahm sich unter anderem der Vergangenheitsbewältigung an. Etwa in seinem Film-Essay über den ermordeten polnischen Ghetto-Arzt und PädagogenJanusz Korczak. Obwohl selbst Katholik, arbeitete Weiß für die linksprotestantisch geprägte "Aktion Sühnezeichen" und veröffentlichte in kirchennahen Samisdat-Schriften.

Politiker seines Schlages wirkten vor allem wegen ihrer Integrität, mit der sie sich von den Funktionseliten in Ost und West unterschieden, sympathisch. Als Volksvertreter jedoch scheiterten sie: Der Mitverfasser des Aufrufs "Für unser Land" warnte im November 1989 vor einer raschen "Einverleibung der DDR" und forderte einen reformierten Sozialismus. Heute gesteht Weiß ein: "Es war nicht real, weil die Leute die Nase voll hatten von 40 Jahren Sozialismusversuch." Wie sehr die Zweistaatlichkeit gerade von den Bürgerrechtlern verinnerlicht worden war, läßt sich dem Geständnis Weiß’ entnehmen: "Ich habe meine Heimat verloren: dieses graue, enge, häßliche Land. (…) Nun stürmt ein rauhes, grelles, hemdsärmliges Vaterland auf uns ein." Solche Äußerungen offenbaren seine ungewollte Nähe zu denen, die ihm, vorwerfen, er habe ihre "schöne DDR kaputtgemacht", und die jetzt die ehemals totalitäre PDS wählen.

Vor der Zusammenarbeit mit ihr warnte Weiß bereits angesichts der rot-roten Koalition in Schwerin. Nun haben also auch die Grünen den Rubikon überschritten und "Verrat an den Idealen der friedlichen Revolution" begangen. Andere Mitstreiter sahen dies schon früher kommen und schieden im Zorn, wie beispielsweise Vera Lengsfeld. Der Bruch, den Konrad Weiß angesichts der Berliner Kungelei vollzog hat, wirft also nur eine Frage auf: Warum erst jetzt?


 
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