© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/01 29. Juni 2001

 
Das vorläufige Ende einer Affäre
Parteien I: Annäherung zwischen CDU und Grünen in Frankfurt am Main ist gescheitert
Werner Olles

Nachdem sich die Mitgliederversammlung der Frankfurter Grünen am 18. Juni nach mehrstündiger, teilweise turbulenter Sitzung mit 99 zu 80 Stimmen für die Annahme der mit der CDU seit der Kommunalwahl im Mürz ausgehandelten sogenannten 88-Punkte-Liste ausgesprochen hatte, sah zunächst alles ganz harmonisch aus. Die Frankfurter Union plädierte sogar einstimmig für eine "Konstellation" – "Koalition" wollte man die seltsame Schöpfung wohl nicht nennen –, und auch die FDP war im letzten Augenblick, nachdem die Grünen auch noch diese Kröte geschluckt hatten, mit ins gemeinsame Boot genommen worden. Zwar hatten die schwarz-grün-gelben Kommunalpolitiker das wichtigste Thema der Stadt, den Ausbau des Frankfurter Flughafens, kurzerhand ausgeklammert, aber weil Grünen-Fraktionschef Lutz Sikorski unbedingt Umwelt- und Verkehrsdezernent werden und Schuldezernentin Jutta Ebeling gar zu gerne ins Kulturressort wechseln wollte, sollte "der Versuch, im Interesse Frankfurts Grenzen zu überschreiten und im Interesse der Bürgerinnen und Bürger ein Experiment zu wagen" (CDU-Vorsitzender Udo Corts) gestartet werden.

Aber dann geschah ohne jede Vorwarnung der "GAU" (Jutta Ebeling). Bei der Wahl der vierzehn ehrenamtlichen Stadträte für den Magistrat durch die Stadtverordnetenversammlung im Römer erhielt der Republikaner Andreas König in geheimer Abstimmung vier Stimmen und damit eine Stimme mehr als die Fraktion Mitglieder hat. Zuvor waren jedoch durch gemeinsame Listenverbindungen der Fraktionen bereits dreizehn Kandidaten abgesichert. Es ging also im Prinzip nur noch um den vierzehnten Stadtrat, der von der zahlenmäßigen Stärke der Fraktionen her - wie schon im vorherigen Magistrat - wieder den Republikanern hätte zufallen müssen. Da aber ein linksextremes Bündnis aus PDS, ÖkoLinx und Europa Liste eine Listenverbindung eingegangen war und ebenfalls vier Stimmen erhielt, mußte das Los entscheiden und fiel auf den Republikaner König.

Um dieses zu verhindern, waren die sogenannten "demokratischen Parteien" untereinander Listenverbindungen eingegangen: die CDU mit der FDP, die SPD mit den FlughafenAusbauGegnern (FAG), die PDS mit ÖkoLinx und der Europa Liste. Ein Verfahren, das ganz offensichtlich den Wählerwillen konterkariert und zudem auch der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) widerspricht, nach der die Fraktionen entsprechend ihrem Stärkeverhältnis im Stadtparlament auch im Magistrat vertreten sein sollen.

Wie der gewählte Stadtrat Andreas König, der auch Pressesprecher der Frankfurter Republikaner ist, gegenüber der JUNGEN FREIHEIT erklärte, sollte durch diese undemokratischen Gemeinschaftslisten versucht werden, das Gesetz und die Entscheidung der Frankfurter Wähler zu unterlaufen. Erschwerend kam hinzu, daß die Listenverbindung der Linksextremisten offen bekanntgab, ihre drei Kandidaten würden nach dem Rotationsprinzip jeweils nur ein Drittel der Amtszeit dem Magistrat angehören. Auch dies ist ein Vorgang, der nach der HGO nicht erlaubt ist.

Als sehr befremdlich muß daher die Tatsache angesehen werden, daß die "kritischen" Medien, allen voran der Hessische Rundfunk, zu diesen dubiosen Machenschaften der etablierten Parteien und der Linksextremisten eisern schwiegen. Sehr merkwürdig fiel auch die Reaktion des CDU-Kreisvorsitzenden Corts aus, der den nach der Arithmetik offenbar aus den Reihen der Union stammenden Republikaner-Wähler als "Verrückten" und "politischen Amokschützen" bezeichnete. Der Vorfall sei "eine Schande für den Römer" und "werfe ein negatives Licht auf die Stadt Frankfurt". Daß die Alternative dazu ein PDS- oder ÖkoLinx-Vertreter im Magistrat gewesen wäre, verschwieg Corts, während Klaus Sauer, der Fraktionsvorsitzende im Römer, in einer Presseerklärung mutmaßte, daß "Herrn Corts offensichtlich ein Vertreter der SED-Nachfolger im Senat lieber wäre als ein demokratischer Republikaner".

Die Grünen kündigten noch in der Nacht nach der Wahl die geplante Zusammenarbeit zwischen ihnen, der CDU und der FDP auf. Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU), die von einer sie "sehr bedrückendenden, unverantwortlichen Tat eines politischen Heckenschützen" sprach, signalisierte Verständnis für "die Gefühle und die Empörung der Grünen", während die SPD ihre Schadenfreude ob des gescheiterten schwarz-grünen Experiments nur schlecht verbergen konnte. Einen Tag später riefen die Grünen "alle demokratischen Parteien" auf,an einem "Runden Tisch" über den weiteren Umgang mit den Republikanern zu diskutieren. Die CDU witterte bereits wieder Morgenluft, aber dann sagten SPD und FAG ihre Teilnahme mit der - wohl zutreffenden - Begründung ab, der geplante Runde Tisch habe nur die Funktion "als Feigenblatt zum Wiedereinstieg in die schwarz-grüne Koalition oder in die gemeinsamen Verhandlungen zu dienen". SPD-Chef Frey erklärte, es sei nicht die Aufgabe seiner Partei "Gegensätze zuzukleistern" und "das Gewissen der Grünen zu beruhigen". Nur einen Tag später erfolgte dann die endgültige Absage der Grünen zu allen Verhandlungen über das Römer-Bündnis: Die geplante Zusammenarbeit zwischen ihnen und der CDU unter Einbeziehung der FDP sei offiziell beendet. Die gemeinsamen Gespräche und die Umsetzung der Beschlüsse der 88-Punkte-Liste müßten "von Beginn an auf einem guten Fundament stehen", dies sei jedoch mit der Wahl eines Republikaners aus den Reihen von CDU und FDP nicht mehr der Fall.

Damit ist der dritte Versuch, nach Mühlheim und Saarbrücken in einer Großstadt ein schwarz-grünes Bündnis zu etablieren wohl endgültig gescheitert. Wie es in Frankfurt weitergehen soll, bleibt zunächst offen. Nach der Sommerpause werden sich die Akteure jedoch erneut in irgendeiner Form zusammensetzen müssen. Daß die Union an der mit den Grünen ausgehandelten 88-Punkte-Liste auch weiterhin eisern festhalten will, zeigt, daß man hier immer noch nicht alle Hoffnung aufgegeben hat, die grüne Braut doch noch ins gemeinsame Lotterbett zu ziehen.


 
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