© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/01 29. Juni 2001

 
Todkranke Retter
Parteien II: Diskussion um Schwarz-Grün auch in Berlin
Richard Stoltz

Der Berliner CDU-Spitzenkandidat Frank Steffel (35) hält eine Koalition mit den Grünen in der Hauptstadt für möglich. "Schwarz-Grün wäre auch hier eine interessante politische Konstellation", sagte er in einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel. Wenn bei den Grünen eine Veränderung eintrete, seien sie "ein denkbarer Gesprächspartner", erklärte Steffel. In der Wirtschaftspolitik könne man mit "modernen" Grünen möglicherweise besser zusammenarbeiten als mit weiten Teilen der SPD, weil die Grünen pragmatischer seien, betonte der mittelständische Unternehmer. Als Bedingung für eine Zusammenarbeit nannte er, daß sich die Grünen zu den "großen Zukunftsprojekten" bekennen: Großflughafen, Wissenschaft, Forschung und Technologie. Bisher hatte Steffel, der am kommenden Sonntag von einem Landesparteitag offiziell zum Spitzenkandidaten seiner Partei nominiert wird, jede Kooperation mit den Berliner Grünen abgelehnt.

Die Grünen warfen Steffel "Realitätsverlust, Arroganz und Machtbesessenheit" vor. Die Berliner Grünen-Chefs, Regina Michalik und Till Heyer-Stuffer, erklärten, eine Zusammenarbeit mit der CDU sei "vollkommen ausgeschlossen". Seit dem Bruch der Großen Koalition suche Steffel den Kontakt zu den Grünen. Dabei gehe es ihm und der CDU nur darum, wieder an die Macht zu kommen. Die Grünen-Politikerin und Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer schrieb in einem Beitrag für den Tagesspiegel, Schwarz-Grün wäre nur mit einem CDU-Spitzenkandidaten Wolfgang Schäuble eine Op-tion gewesen.

Skeptisch beurteilt auch der CDU/CSU-Fraktionschef im Bundestag, Friedrich Merz, die Möglichkeit einer Zusammenarbeit der Union mit den Grünen. Zwar gebe es durchaus Gemeinsamkeiten, zum Beispiel in Fragen der Biomedizin. Er sei allerdings weit entfernt davon zu glauben, so Merz, daß es in absehbarer Zeit eine Zusammenarbeit geben werde. Es wäre auch ein "schwerer strategischer Fehler", die Grünen durch eine Kooperation mit der Union aufzuwerten, sagte Merz in einem Gespräch mit der Zeitschrift Der Selbständige/DS Magazin. "Die Grünen sind eine Eingenerationenpartei. Ihnen läuft die Jugend weg, und sie verliert seit 1998 bei jeder Wahl zwischen 20 und 40 Prozent an Wählern. Warum also sollten wir mit einer Partei, die an Blutarmut leidet und möglicherwiese in fünf Jahren keine Rolle mehr spielt, zusammenarbeiten?" fragte Merz. Für Wiederbelebungsversuche einer Partei, die todkrank sei, sei die Union nicht zuständig.


 
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