© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/01 29. Juni 2001

 
WIRTSCHAFT
Am Krankheitswesen kann niemand genesen
Bernd-Thomas Ramb

Die Krankenkassen, mehr noch deren Beitragssätze, kommen nicht aus den Schlagzeilen. Das Dilemma ist klar: Eigentlich müßten die AOK-Beiträge angehoben werden, wie es die hessische AOK bereits getan und die baden-württembergische vorhat, der Widerstand gegen eine solche betriebswirtschaftlich notwendige Maßnahme ist jedoch ernorm. Mit ihr erhöht sich der Abstand zu den niedrigeren Beitragssätzen der Ersatzkassen, allen voran der Betriebskrankenkassen. Dementsprechend wächst die Bereitschaft der Versicherten, insbesondere der nur selten kranken und einkommensstarken, zur günstigeren Kasse zu wechseln. Die Folge: Die sogenannten schlechten Risiken bleiben bei der gesetzlichen Krankenkasse, die den Beitragssatz dann noch höher festlegen müßte.

Das Vorhaben der Regierung, den Teufelskreis durch die gesetzliche Festlegung eines Mindestbeitrags von 12,5 Prozent zu durchbrechen, scheiterte am Veto der Grünen. Die bestehen zu Recht auf der Wahrung der Wettbewerbsfreiheit – auch bei der Wahl von Versicherungsleistungen im Gesundheitswesen. Die AOK-Misere mit ihrer ungünstigen Versichertenstruktur läßt sich kaum durch die Beitragssätze lösen, da die einnahmenrelevante Beitragshöhe nicht nur vom Beitragssatz, sondern auch vom Einkommen der Versicherten abhängt. Versammeln sich in der staatlichen Versicherung zunehmend allein die Niedrigeinkommensbezieher, liegt die Lösung eher in einer vom Sozialamt alimentierten Mindestbeitragshöhe. Auf der Ausgabenseite gilt es, den zunehmenden Hang zur sorglosen Erkrankung mit Vollversorgung jedes Wehwehchens zu brechen. Aber wer fühlt sich bei einer Krankenversorgung zum Nulltarif noch verpflichtet, auf seine Gesundheit zu achten oder gar Gesundheitsvorsorge zu treffen!


 
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