© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/01 29. Juni 2001

 
Neulich im Internet
Ruhe!
Erol Stern

Bepackt mit Aldi-Tüten, Notebooktasche und Tagespost schlängele ich mich die Treppe hoch zu meiner Wohnung voll Vorfreude auf die Schlüsselsuche. Was jetzt noch fehlt, ist das prompt einsetzende Handyklingeln. Alternative Szenarien: Einparken, Supermarktkasse oder bei 140km/h im Tunnel mit offenem Fenster und Radio aufgedreht. Geht Euch das auch so? Kein Problem, die Lösung erfordert nur etwas Mut! Jedes Handy hat nämlich eine viel zu selten beachtete Funktion: den Ausschalter. Mehr als die Hälfte meiner Anrufe könnten ohnehin auf eMail verlagert werden. Was mich lediglich nervt, hinterläßt im Tierreich tiefe Spuren. Mike Everett vom britischen Vogelschutzbund äußerte sich kürzlich besorgt zu dem Phänomen, daß heimische Singvögel zunehmend Handy-Klingeltöne imitieren. "Oh Romeo, ist es ein Ericsson oder ein Nokia…", würde demnach Shakespeares Klassiker abgeändert. Allerdings, so ein Gerichtsurteil, kann ein Zettel mit der Handynummer in der Windschutzscheibe Falschparker vor dem Abschleppen bewahren – nicht jedoch vor dem Knöllchen. Und die milliardenteuren Tarnkappenbomber können auch von Handystrahlen geortet werden. Durch den Handy-Boom wird übrigens der Bürgerkrieg im Kongo mitfinanziert, weil hauptsächlich dort das zur Funkgeräteproduktion benötigte Element Tantalum gefördert wird. Fazit1: Im Sinne des Tierschutzes und des Weltfriedens schalte ich also häufiger mein Handy aus und genieße den schönsten aller Klingeltöne, nämlich Ruhe. Fazit2: Wer nicht falschparkt, liest lieber eMails und Shakespeare, schlußfolgert Euer Erol Stern


 
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