© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/01 06. Juli 2001

 
Eugenik individuell
Neuerscheinungen zum Thema der genetischen Diagnostik
Dirk Zahn

Die wissenschaftliche und politische Debatte über Gentests und Em-bryonenforschung ist noch in vollem Gange. Doch schon jetzt erscheinen die ersten Ratgeber für die anwendungsinteressierten Laien. Drei Taschenbücher seien hier kurz vorgestellt.

Das Buch "Genetische Tests" der Technologietransferspezialistin Claudia Fesch von der ETH Zürich ist sehr kompakt gehalten. Man kann anzweifeln, ob die genetischen Details für einen Leser ohne Vorkenntnisse verständlich werden. Entsprechende Vorbildung vorausgesetzt, informiert das Buch jedoch präzise und unterhaltsam. Pränatale und sonstige Diagnostik, die Grundzüge der genetischen Beratung sowie eventuelle Behandlungsmöglichkeiten werden vorgestellt. Ein eigenes Kapitel ist den genetischen Grundlagen von Krebs gewidmet, ein größerer Abschnitt den sonstigen Erbkrankheiten. Ethische Fragen werden nur im abschließenden Kapitel kurz gestreift, wobei Flesch auf eine eigene Position verzichtet.

Der Mediziner Maik Urban beantwortet die Titel-Frage seines Buches "Wird unser Kind gesund sein?" mit Hilfe vieler Fotos und Schaubilder. Hier liegt ein sehr verständlich geschriebener Ratgeber für werdende Eltern vor. Genetische Fragen bilden zwar das Zentrum des Buches, jedoch wird auch auf andere Gefahren für das Ungeborene eingegangen. Da der Verfasser als genetischer Berater arbeitet, gelingt es ihm, lebensnah typische Situationen von Ratsuchenden zu schildern und Hilfsmöglichkeiten aufzuzeigen. Hier wird auch der falsche Eindruck korrigiert, genetische Erkenntnisse beruhten allein auf neuartigen biochemischen Laborexperimenten. Zu einem großen Teil bedeutet Genetik immer noch konventionelle Familienforschung. Leider beeinträchtigt die mitunter ins kindische abgleitende Wortwahl ("Perlenkette" als Umschreibung für den DNS-Strang etc.) völlig unnötig den Eindruck von Sachkenntnis.

Das Buch "Genetische Beratung" der promovierten Politologin Kerstin Wüstner erfüllt weitergehende Ansprüche. Es wendet sich nicht an die Betroffenen, sondern an Berater und Entscheidungsträger.

Zunächst schildert die Autorin, wie in verschiedenen Kulturen eugenische Maßnahmen geregelt wurden. Der Bogen spannt sich dabei vom alten Griechenland bis in die unmittelbare Gegenwart. Danach legt sie die Grundlagen der Humangenetik und ihre diagnostischen Methoden dar. Im Gegensatz zu den anderen Autoren geht sie hier im Detail auf die Grenzen und Risiken der wissenschaftlichen Untersuchungen ein. Den Kern des Buches bildet der Abschnitt über die genetische Beratung von Schwangeren. An realen Beispielen und mit Umfrageergebnissen zeigt die Verfasserin die große Kluft zwischen nüchternen medizinischen Fakten und der Unsicherheit der davon Betroffenen.

Aus ihrer eigenen Position macht die Autorin keinen Hehl. Genetische Selektion ist strikt abzulehnen, wenn sie im Namen des Allgemeinwohls stattfindet; jedoch zu akzeptieren, wenn persönliches Interesse dahintersteht. Ob dieses Interesse Eigenverantwortung genannt werden kann, wie es die Verfasserin tut, sei dahingestellt.

Dieses faktengesättigte Buch ist besonders demjenigen Leser zu empfehlen, der sich ein eigenes Urteil auf der Basis des aktuellen Forschungsstandes bilden will.

Jedes der drei vorgestellten Bücher macht deutlich, daß es noch ein weiter Weg ist, bis von einer genetischen Medizin gesprochen werden kann. Bislang hat selbst die Diagnostik nur einen Bruchteil der genetischen Vielfalt erschlossen, und die gezielte Behandlung wird noch viele vergebliche Versuche brauchen, um auszureifen.

 

Claudia Fesch: Genetische Tests – Wie funktionieren sie, und was sagen sie aus? Fischer Taschenbuch Verlag, 2000, 150 Seiten, 17,90 Mark

Kerstin Wüstner: Genetische Beratung, Risiken und Chancen. Psychiatrie Verlag, Bonn, 2000, 446 Seiten, 58 Mark

Maik Urban: Wird unser Kind gesund sein? Genetischer Rat für die Familie. Urania-Ravensburger, Berlin 2000, 144 Seiten, 29,90 Mark


 
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